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Männer der Wissenschaft, der Kunst, der Verwaltung haben sich mit dem Städtebau beschäftigt, die früheren Grundsätze weiter ausgebildet und Anregungen aus einzelnen Städten gegeben. Ferner wurde durch Sammelwerke, Kongresse und Wettbewerbe die Bedeutung des Städtebaues als einer technischen Wissenschaft eindringlich dargetan. Insbesondere sei der Versammlung des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieurvereine 1906 zu Mannheim gedacht, für deren Beratungen einer der Berichterstatter des Jahres 1874, Baumeister, wiederum „Grundsätze des Städtebaues“ aufgestellt hatte. Ebenso umfassend wie Schrift und Wort haben die Ausstellungen von Zeichnungen und Modellen gewirkt, welche seit einigen Jahren in großem Umfang gebräuchlich geworden sind: Berlin, Dresden, Düsseldorf, Leipzig.

Die weitere Darstellung der Entwicklung des Städtebaues soll nunmehr nach seinen einzelnen Aufgaben getrennt erfolgen.

Bebauungsplan.

Nach heutiger Anschauung soll ein Bebauungsplan nicht nur dem „Bedürfnis der näheren Zukunft“ entsprechen, wie früher vorgeschrieben wurde, sondern auf große Entfernungen die Grundzüge für Verkehrsmittel aller Art nebst Entwässerung enthalten, genügende Freiflächen und Baustellen für öffentliche Gebäude, nach Umständen auch vorhandene oder beabsichtigte Vororte einschließen. Nur so läßt sich der organische Zusammenhang sichern und Mängeln vorbeugen, deren spätere Verbesserung recht kostspielig ausfallen könnte. Auch in ästhetischer Hinsicht ist eine Stadt möglichst als einheitliches Kunstwerk aufzufassen. Die Feststellung der Einzelheiten folgt in Spezialplänen nach Bedarf, um künftigen Bedürfnissen nicht vorzugreifen und um die Baulust tunlichst zu regeln. Von diesem Standpunkte war z. B. 1908 der Wettbewerb für Großberlin ausgeschrieben, werden jetzt Generalpläne für Köln, Düsseldorf, Leipzig veranstaltet und ist auch in kleineren Orten das Vorgehen zu empfehlen.

Ein weiterer Grundsatz besteht darin, von vornherein gewisse Straßen oder Bezirke vorzugsweise für Wohnhäuser, Geschäftshäuser, ländliche Wohnungen, auch Kleinwohnungen, für Industrie und Handel zu bestimmen. Um diese soziale Gruppierung herbeizuführen, dienen geeignete Lage, zweckmäßige Verkehrsmittel, passende Blockgrößen. Als eigentliche Zwangsmittel kommen baupolizeiliche und gewerbliche Vorschriften in Betracht, durch welche insonderheit in Wohnbezirken nicht bloß eigentliche Schädigungen, sondern schon Belästigungen durch Rauch, Handwerkslärm, Läden und Wirtschaften ferngehalten werden können.

Was die Anordnung des Straßennetzes betrifft, so war vor unserer Berichtsperiode das Rechtecksystem für Stadterweiterungen, selbst bei großem Umfang und auf hügeligem Gelände, fast allgemein üblich. Es ist aber teils aus ästhetischen, teils aus praktischen Gründen (Verlängerung aller Wege) zu verurteilen, außer für kleinere und langgestreckte Aufgaben. Statt dessen gilt jetzt vor allem der Grundsatz, Hauptstraßen und Nebenstraßen klar zu unterscheiden. Von den ersteren kommen gewöhnlich radiale Straßen in die Umgebung in Betracht, sodann Ringstraßen, um den Verkehr zwischen Außenbezirken aufzunehmen und den Stadtkern nicht zu überlasten, endlich Diagonalstraßen zwischen

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1521. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/392&oldid=- (Version vom 20.11.2016)