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Hatte die Entdeckung des Luftdruckes durch Torricelli und die Erfindung der Luftpumpe durch Otto v. Guericke indirekt den Anstoß zur Erfindung der Dampfmaschine durch Papin, Newcomen und Watt gegeben, so stellte die Ausbildung der Dampfmaschine die Aufgabe, Eigenschaften des Feuers, der Wärme, des Dampfes, die bis zu jener Zeit noch nicht genau bekannt waren, nach Maß und Zahl zu erforschen. Die hierdurch gewonnenen Erkenntnisse, insbesondere die genialen Arbeiten von Carnot und Clapeyron führten, im Zusammenhang mit anderen Forschungsergebnissen im Reiche der belebten und unbelebten Natur, auf die Entdeckung des Energiegesetzes durch Robert Mayer und Helmholtz. Hiermit war das Fundament für die Thermodynamik gelegt, deren Ausbau in späterer Zeit besonders Hirn, Clausius und Zeuner zu danken ist, und deren Lehren nicht nur die wissenschaftlich arbeitenden Ingenieure bei der Vervollkommnung der Dampfmaschine unterstützt, sondern auch bei der späteren Erfindung und Ausbildung der Dampfturbine, der Gasmaschine, sowie der Öl- und Benzinmotoren eine wichtige Rolle gespielt haben. Vielleicht noch größer ist der Gewinn zu veranschlagen, welchen die ganze Naturwissenschaft durch das Energiegesetz erfahren hat.

Als gegen Mitte des 18. Jahrhunderts das Segnersche Wasserrad bekannt wurde, zog dasselbe das Interesse des großen Mathematikers Euler in solchem Maße auf sich, daß er eine noch heute gültige Theorie dieser Maschine und damit die erste Turbinentheorie entwickelte, und kurz darnach (1755) seine grundlegende Arbeit zur wissenschaftlichen Hydrodynamik verfaßte. Dieser Wissenschaft und ihren späteren Vervollkommnungen verdanken wir aber die hervorragenden Leistungen im Turbinenbau und in der Ausnützung der Wasserkräfte, durch die sich besonders deutsche Firmen in den letzten Jahrzehnten ausgezeichnet und in allen Weltteilen betätigt haben, nachdem durch die elektrische Fernleitung die industrielle Verwertung zahlreicher seither ungenützter Wasserkräfte wirtschaftlich möglich geworden war.

Aber nicht nur auf diesem Gebiete, sondern in fast allen seinen Zweigen hat das Maschinenwesen der letzten Jahrzehnte unter dem Einfluß der Elektrizität gestanden, und gleichzeitig hat sich aus diesem Zusammenhang die Elektrotechnik als umfangreiche technische Wissenschaft entwickelt. (Siehe den folgenden Abschnitt Elektrotechnik.)

Als neuster Vorgang ähnlicher Art vollzieht sich in unseren Tagen unter dem Einfluß von Aufgaben, die der Bau der Luftfahrzeuge stellt, die gründlichere Durchforschung der Bewegungsgesetze der Luft, die Betätigung zahlreicher Kräfte auf dem Gebiete der Aerodynamik, welches mangels praktischen Interesses lange Zeit vernachlässigt worden war.

Geht schon aus diesen Beispielen hervor, daß die Maschine die Dienste, welche die Quellwissenschaften bei ihrer Entwicklung geleistet haben, reichlich vergolten hat, so läßt sich noch in vielen andern Fällen zeigen, daß sie nicht nur ein Anwendungsobjekt, sondern selbst eine Quelle neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse gewesen ist und wohl auch in Zukunft bleiben wird.

Ganz besonders gilt dies für die Beziehungen zur Mechanik. Diese Wissenschaft verdankt zwar die wichtigsten Erkenntnisse, auf denen ihr heutiges Lehrgebäude beruht, dem Studium der Planetenbewegung. Hierbei handelt es sich aber im wesentlichen nur um

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1505. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/376&oldid=- (Version vom 20.8.2021)