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Fahrbetriebsmittel.

Naturgemäß war diese dem steigenden Verkehr sich anpassende Steigerung der Leistungsfähigkeit der Eisenbahnen nicht allein das Verdienst zweckmäßiger bautechnischer Anlagen, sondern, wie bereits hervorgehoben, vor allem auch ermöglicht durch die rechtzeitige Vermehrung und Verbesserung der Motore und Fahrbetriebsmittel, deren zahlenmäßiges Anwachsen seit 1888 die nachfolgende Zusammenstellung zeigt.

Lokomotiven Personenwagen Postwagen Gepäckwagen Güterwagen
bedeckte offene
Bestand
im Jahre
1888 13105 24383 1604 6045 77189 172612
1913 29000 60000 2880 18000 175000 435000
(schätzungsweise)
Zunahme in % etwa 120 150 80 200 130 150

Bei den Lokomotiven ging mit der Erhöhung der Anzahl eine wesentliche Steigerung ihrer Leistungsfähigkeit Hand in Hand. Dampflokomotiven von 1500 Pferdestärken und mehr sind heute keine Seltenheit auf deutschen Bahnen. Erreicht wurde diese Leistungsvermehrung durch Vergrößerung der Heizfläche und des Kessels, durch Verwendung überhitzten Dampfes, durch bessere Dampfausnutzung infolge von Spannungserhöhung im Dampfraum, durch Einführung und Ausbildung der Verbund-Anordnung (Hoch- und Niederdruck-Dampfzylinder), sowie durch Verminderung der Bewegungswiderstände, insbesondere bei dem Durchfahren von Bögen, mittels drehbarer Achsgestelle. Schlepptender mit bis zu 30 cbm Wasserinhalt sorgen heute dafür, daß große Strecken – über 200 km – ohne Anhalten durchfahren werden können, durchgehende Bremsen verschiedener Bauweise – meist nach Westinghouse, Schleifer, Knorr oder Heberlein – finden sich zur Erhöhung der Sicherheit gegen Unfälle an allen Personenzügen, selbst an denen schmalspuriger Nebenbahnen. Im Bau der Personenwagen gab eine starke Anregung die 1892 erfolgte Einführung der D-Züge, die jetzt ausschließlich aus vierachsigen, auf Drehgestellen ruhenden und mit allen Bequemlichkeiten ausgestatteten Durchgangswagen mit Faltenbalgverbindungen zusammengesetzt sind, während die früher allein herrschenden Abteilwagen, ebenfalls entsprechend den Anforderungen der Neuzeit angepaßt, zweckmäßig in dem Vorortverkehr großer Städte verwendet werden, da ihre Entleerung und Neubesetzung bei starkem Verkehr in kürzerer Zeit erfolgt als die der Wagen anderer Grundrißanordnung. An Stelle der 1888 noch sehr verbreiteten Preßkohlen- und Wärmflaschenheizung ist für Wagen des Fernverkehrs die von der Lokomotive aus gespeiste Dampfheizung, an Stelle der Ölbeleuchtung das Fettgas, Azethylengas oder das elektrische Licht getreten. Die Vergrößerung der Sitzplatzflächen, die Anordnung von Aborten und Waschgelegenheiten, von Lüftungsvorrichtungen und großen Fenstern, sowie die Einreihung von Speise- und Schlafwagen sowie zahlreicher Kurswagen in die weiter gehenden Fernzüge ermöglichen es heute in weit höherem Maße als vor 25 Jahren, lange Strecken in ununterbrochener Folge ohne Unbequemlichkeiten zurückzulegen.

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1492. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/363&oldid=- (Version vom 20.8.2021)