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der größeren Zweckmäßigkeit der eisernen, hölzernen oder der aus Eisenbeton gebildeten Querschwellen heute weniger nach technischen Rücksichten auf die Sicherheit des Gleises zu entscheiden, das sich mit Schwellen aller genannten Baustoffe genügend widerstandsfähig herstellen läßt, als vielmehr nach Rücksichten der Wirtschaftlichkeit, welche je nach den örtlichen Verhältnissen sehr verschieden sein können, so daß diese Frage von den einzelnen deutschen Eisenbahnverwaltungen auch sehr verschieden beantwortet wird. Während einige ausschließlich getränkte Holzschwellen verwenden, sind andere, z. B. Baden, zur alleinigen Anordnung flußeiserner Querschwellen übergegangen. Die Eisenbetonschwelle steht überall erst im Anfang ihrer Einführung.

Bahnhöfe.

Die gleiche Sorgfalt wie dem Fundament des Eisenbahnwesens, dem Gleise, mußte in den letzten Jahrzehnten auch den Bahnhöfen gewidmet werden, deren Anzahl in 25 Jahren von 6400 auf etwa 13906 gestiegen ist. Der steigende Verkehr drängte gerade hier zu den größten Aufwendungen, um seinen Anforderungen gerecht werden zu können. Hunderte von Millionen sind für Um- und Erweiterungsbauten, sowie für Neuanlagen von Personen-, Güter-, Verschiebe- und Werkstättenbahnhöfen aufgewendet worden, bei deren Ausgestaltung neben den Rücksichten, die auf Zweckmäßigkeit, schnelle Abwickelung sowie Sicherheit des Betriebes und des Verkehrs genommen werden mußten, auch die Forderungen der Ästhetik und der heimatlichen Bauweise von Jahr zu Jahr in höherem Maße Berücksichtigung fanden. Nicht leicht ist es gewesen, in der notwendigen Weise hier Schritt zu halten mit dem Verkehrswachstum, aber es ist unter Anspannung aller Kräfte gelungen. Wohl kein anderes Land Europas hat heute Personenbahnhöfe aufzuweisen, die in so weitgehendem Maße den zu stellenden Anforderungen Genüge leisten wie in Deutschland und wohl nirgends sonst erstreckt sich die Fürsorge der Verwaltung in gleicher Weise nicht nur auf die Bahnhöfe der großen Städte, sondern auch auf die Bahnhofshochbauten und Personenverkehrsanlagen der mittleren und kleineren Orte. Leichte Übersichtlichkeit der Anlage, Geräumigkeit, schienenfreie Zugänge zu den Bahnsteigen, Schutz der wartenden Reisenden gegen die Witterung, Trennung der Verkehrsströme, gute Beleuchtung – auf größeren Bahnhöfen meist elektrisch –, ein der Umgebung angepaßtes Äußere des Bauwerks sind die Hauptgrundsätze, die heute bei der Ausführung deutscher Personenbahnhöfe beachtet werden, während im Güterverkehr, der meist von dem Personenverkehr völlig getrennt behandelt wird, das Streben nach möglichster Beschleunigung des Wagenumlaufes und möglichster Verbilligung des Verschiebegeschäftes in immer steigendem Maße zur Ausnutzung der Schwerkraft, zum Verschieben durch Anlage geneigter Ablaufberge, nach Befinden mit vorhergehender Gegenneigung (Eselsrücken), geführt hat. Auch im Güterverkehrswesen ist es, ungeachtet der an einzelnen Punkten des Bahnnetzes, vor allem im rheinisch-westfälischen Industriegebiet, alle Vorhersage weit übersteigenden Verkehrserhöhungen, und wenn auch nur unter den größten Anstrengungen erreicht worden, daß Verkehrsstockungen größerer Dauer vermieden werden konnten, wenn auch kürzere Störungen bei dem Zusammentreffen ungünstiger Verhältnisse nicht immer zu umgehen gewesen sind.

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1491. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/362&oldid=- (Version vom 20.8.2021)