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durch niedere Organismen, da derselbe eine bessere Stickstoffquelle für die niederen Organismen ist und länger im Boden verweilt als der Salpeter. Im übrigen haben die Versuche ergeben, daß die verschiedenen Kulturpflanzen sich gegen diese beiden Stickstofformen verschieden verhalten. So hat Krüger durch einwandfreie Sterilisationsversuche, bei welchen der Ammoniakstickstoff als solcher von den Pflanzen aufgenommen werden mußte, festgestellt, daß z. B. die Kartoffel und der Hafer für das Ammoniaksalz mindestens ebenso dankbar sind als für den Salpeter, umgekehrt z. B. die Rübe, besonders die Futterrübe, den Salpeter vorzieht. Hiermit stehen im Einklang die nach dieser Richtung von Wohltmann, Schneidewind, D. Meyer, Munter u. a. ausgeführten Feldversuche. In einzelnen Fällen will man ja auch, wie z. B. bei der Braugerste, stickstoffärmere Produkte gewinnen, was mit dem Ammoniaksalz leichter zu erreichen ist als mit dem intensiv wirkenden Salpeter.

Seit langer Zeit war man bestrebt, den Luftstickstoff auf elektrochemischem Wege in eine für die Pflanze geeignete Form überzuführen. Dies ist in den letzten 10 Jahren mit praktischem Erfolg gelungen. Es werden augenblicklich 4 Formen auf diesem Wege gewonnen: 1. Der Kalkstickstoff, nach dem Verfahren von Frank-Caro. Zur Gewinnung dieses Produktes wird zunächst Kalziumkarbid hergestellt, welches unter geeigneten Bedingungen den Luftstickstoff zu binden vermag und hierbei in Kalziumzyanamid (Ca CN2) übergeführt wird, welch letzteres durch die sich ausscheidende Kohle schwarz gefärbt ist und mit „Kalkstickstoff“ bezeichnet wird. 2. Der Kalksalpeter (Norgesalpeter) nach den beiden Verfahren von Birteland - Eyde und Schönherr. Dieser Salpeter wird durch Oxydation des Luftstickstoffs vermittels des elektrischen Flammenbogens gewonnen. Hierbei entsteht zunächst Stickoxyd, welches dann weiter zu Stickstoffdioxyd und schließlich zu Salpetersäure umgewandelt wird. 3. Der Harnstoff, welcher nach dem Verfahren von Immendorff aus dem Kalkstickstoff gewonnen wird. 4. Ammoniaksalze (Salpetersaures Ammoniak oder Schwefelsaures Ammoniak). Zur Gewinnung dieser Salze wird zunächst nach dem Verfahren von Haber synthetisch aus Wasserstoff und dem Stickstoff der atmosphärischen Luft unter Druck und Benutzung von Katalysatoren Ammoniak gewonnen, welches mit einer aus der Luft gewonnenen Salpetersäure oder mit Schwefelsäure zu salpetersaurem bezw. schwefelsaurem Ammoniak verarbeitet wird. Über die Wirkung dieser Produkte sind zahlreiche Gefäß- und Feldversuche ausgeführt worden u. a. von Wagner, Gerlach, Schneidewind, D. Meyer, Munter, Stutzer und Immendorff. Diese Versuche haben ergeben, daß der Kalksalpeter (Norgesalpeter) ebenso wirkt wie der Chilesalpeter, das salpetersaure Ammoniak und der Harnstoff ungefähr wie das schwefelsaure Ammoniak, während der Kalkstickstoff in seiner Wirkung etwas hinter diesen Formen zurückbleibt. Von diesen Produkten werden jetzt in größeren Anlagen hergestellt der Kalksalpeter und der Kalkstickstoff. Ihr Handelspreis hat sich dem der beiden herrschenden Stickstofformen, des Chilesalpeters und des schwefelsamen Ammoniaks, angepaßt.

Auch mit den organischen stickstoffhaltigen Düngemitteln (Fleischmehl, Fischmehl, Blutmehl, Peruguano usw.) sind weitere Versuche angestellt worden. Diese Versuche,

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1474. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/345&oldid=- (Version vom 20.8.2021)