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Aber sonst hat eben die breite, sehr verschiedene Veredelungsgrade umfassende Menge der veredelten Landschweine eine ungeahnte Bedeutung gewonnen. Wenn auch noch eine ganze Reihe von besonderen Schlägen unterschieden werden, so ist doch eine sehr ausgesprochene Annäherung in Form und Leistung nicht zu verkennen und, schon jetzt könnte man unschwer innerhalb eines Schlages größere Verschiedenheiten feststellen, als zwischen ausgewählten Zuchten verschiedener Schläge oder Zuchtbezirke bestehen. Eine immer allgemeinere und selbstverständlichere Anerkennung der Bestrebungen, vielleicht sogar durch Zusammenfassung in einen großen Verband, dürfte erstrebenswert sein.

Wo sehr günstige wirtschaftliche Verhältnisse höchste Ansprüche an Frühreife und Mastfähigkeit zu befriedigen imstande sind, ist das Edelschwein unübertroffen.

Im ganzen darf die Schweinezucht in der Hauptsache das Verdienst für sich in Anspruch nehmen, wenn es der deutschen Landwirtschaft trotz enorm gestiegenen Fleischverzehrs neben der riesigen Bevölkerungszunahme gelungen ist, bis auf einen kleinen Rest die Versorgung des deutschen Volkes mit Fleisch auszuführen.

Die Schafzucht.

Eine sehr ungünstige Entwicklung zeigt, übrigens in Übereinstimmung mit manchen anderen Staaten mit intensiver Landwirtschaft, die Schafzucht. Neben den allgemein anerkannten Gründen hierfür (überseeische Wollkonkurrenz und steigende Betriebsintensität der deutschen Landwirtschaft) muß noch die bis in die Jetztzeit reichende Überschätzung der Wolle weiter Kreise hierfür verantwortlich gemacht werden. Das von dem weitblickendsten Vorkämpfer für neuzeitliche Schafzucht vor Jahrzehnten geprägte Wort: „Der Hammel ist der Prüfstein der Schäferei“, muß die allgemeine Losung werden. Die Tage des goldnen Vließes sind vorüber.

Die ausgesprochenen Wollschafzuchten sind großenteils verschwunden oder sind, mehr oder weniger entschieden, in Fleischschafzuchten verwandelt. Leider scheinen auch die Tage der verschiedenen deutschen Landschafe gezählt zu sein; hoffentlich haben die jüngsten Bestrebungen, sie wenigstens hier und dort durch zweckmäßige Veredelung und Umzüchtung zu erhalten, einigen Erfolg. In Frankreich, wo man weniger übertrieben die Reinzucht schätzt wie bei uns, ist es ausgezeichnet gelungen.

Volkswirtschaftlich, d. h. für die Volksernährung braucht glücklicherweise der arge Rückgang der deutschen Schafzucht nicht als sehr bedeutsam angesehen werden. Beträgt doch der Verzehr an Schaffleisch pro Kopf und Jahr nur 1,1 kg oder 2,2 % des gesamten Fleischverbrauchs.

Die Ziegenzucht.

Die Ziegenzucht hat gerade in den hinter uns liegenden 25 Jahren endlich etwas allgemeinere Beachtung gefunden. Weit über die Aufgaben sonstiger Tierzucht hinaus greift die Zucht der „Kuh des kleinen Mannes“ ins soziale Gebiet hinüber und ist besonders warm zu fördern. Erfreulicherweise kommen neuerdings unsere deutschen Rassen mehr zur Geltung, nachdem es sich gezeigt, daß die anspruchsvollere, allerdings auch leistungsfähigere Schweizer Saanenziege nicht überall anpassungsfähig war.

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1469. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/340&oldid=- (Version vom 29.1.2017)