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Düngung.

Die hohe Schätzung der Pflanzenzüchtung ist in gewissem Grade erst ein Produkt der neueren Zeit. Man sah lange die Hauptbedingung für das Zustandekommen genügender Felderträge in einer richtigen Bodenbearbeitung, wie auch in einer richtigen Düngung und richtigen Fruchtfolge. So wenig die Bedeutung dieser Faktoren bei der landwirtschaftlichen Produktion irgendwie verkleinert werden darf, so ist es doch als eine außerordentlich wichtige Ergänzung anzusehen, daß man als weitere gleichwertige Bedingung eine genügende Leistungsfähigkeit der Pflanzen bezw. der Sorten hinzugenommen hat. Ebensowenig wie das beste Futter durch ein mangelhaft gezüchtetes Tier voll verwertet wird, so bedeutet es auch eine wirtschaftliche Verschwendung, wenn man die besten Kulturmaßnahmen auf dem Acker durch mangelhaft befähigte Pflanzen auszunutzen sucht. Daneben ist das Streben, auch auf dem Gebiete der Ackerkultur, speziell dem der Düngung, immer weitere Fortschritte zu erzielen, unbedingt notwendig und nicht im geringsten weniger wichtig. In bezug auf die Düngung hat nun auch die letzte 25jährige wirtschaftliche Entwicklungsperiode entscheidende Fortschritte gebracht. Vor allem sind in dieser Zeit neue Düngemittel zu den alten hinzugekommen, die für die Volkswirtschaft des ganzen Reiches sowohl wie auch für den Betrieb der Landwirtschaft selbst von ungeheurer Bedeutung geworden sind.

Thomasschlacke.

In dieser Beziehung muß vor allem auf die Thomasschlacke und auf die kalihaltigen Abraumsalze hingewiesen werden. Während man vor der hier behandelten Wirtschaftsperiode als Phosphorsäuredünger neben den nicht sehr großen Mengen verschiedener Guanosorten und des Knochenmehls nur vorwiegend das Superphosphat mit „aufgeschlossener in Wasser löslicher“ Phosphorsäure zur Verfügung hatte, dessen Menge durch die Verwendung mineralischer Phosphate größer geworden war, entdeckte man ungefähr in der Mitte der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts in der als lästigen Rückstand bei der Stahlgewinnung erhaltenen sogenannten Thomasschlacke ein wertvolles phosphorsäurehaltiges Düngemittel. Man fand, daß es bei möglichst feiner Pulverung auf vielen Bodenarten, speziell auf Sand- und Moorboden, das Phosphorsäurebedürfnis der Pflanzen in ausgezeichneter Weise befriedigte, ebenso wie auf besserem Boden das Superphosphat. Man kann sagen, daß die landwirtschaftliche Kultur des leichteren Bodens und der Moor-und Torfflächen durch die Einbeziehung der gemahlenen Thomasschlacke in den Kreis der Düngemittel erst in dem Umfange ermöglicht wurde, wie es in der neueren Zeit erreicht ist. Es ist hier zugleich die volkswirtschaftlich interessierende Tatsache zu konstatieren, daß ein zunächst als lästig angesehenes Abfallprodukt eines Industriezweiges durch die überraschende Entdeckung seiner wertvollen Eigenschaften zu einem wichtigen, man kann fast sagen, Hauptprodukte geworden ist. Die Rentabilität der Stahlgewinnung nach dem Thomasverfahren wird jedenfalls in weitgehendem Maße durch die gute Verwertung der Thomasschlacke als Nebenprodukt beeinflußt. Die Mengen, die davon in der Landwirtschaft verwendet werden, sind immer mehr gestiegen und übertreffen jetzt die des Superphosphats bei weitem.

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1459. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/330&oldid=- (Version vom 20.8.2021)