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und in ihr Dr. Hugo Thiels gedacht werden, dessen zielbewußtes Wirken und Schaffen auf allen Gebieten der Wissenschaft und Praxis außerordentlich anregend war.

Dabei darf nicht unbetont bleiben, daß jeder tüchtige Theoretiker seinen Weg durch die Praxis nehmen muß und sich auch nachher mit ihr in engster Fühlung zu halten hat. Wie sehr dieses heute allgemein anerkannt wird, beweisen insbesondere die Sitzungen und Versammlungen der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft, der Gesellschaften zur Förderung der deutschen Tierzucht, sowie der deutschen Pflanzenzucht, in denen Praxis und Theorie Hand in Hand arbeiten.

Lehre und Forschung.

Die moderne Landwirtschaftswissenschaft hat in 2 Fällen bereits Lehre und Forschung getrennt, indem die agrikulturchemischen Versuchsstationen sowie das landwirtschaftliche Kaiser-Wilhelm-Institut zu Bromberg sich ausschließlich der Forschung im Interesse der Praxis widmen, wenngleich einzelne Leiter der ersteren gelegentlich auch dozieren. Aber an den höheren Landwirtschaftlichen Unterrichtsanstalten ist Lehre und Forschung bis heute noch vereint und wird es auch in Zukunft im allgemeinen bleiben müssen. Das liegt im Wesen derselben begründet, schließt jedoch nicht aus, daß einmal ein hervorragender Forscher von der Lehrverpflichtung entbunden wird, um seine ganze Kraft der Forschung widmen zu können.

Nicht minder wie die landwirtschaftliche Forschung hat nun aber auch die Lehre der Landwirtschaftswissenschaft einen hervorragenden Anteil an dem Aufschwung der letzten 25 Jahre. Und es ist gerade das Verdienst dieser Zeit, sie weiter ausgebaut, vervollständigt und in ganz Deutschland in Stadt und Land verbreitet und fundiert zu haben. Damit komme ich auf

das landwirtschaftliche Unterrichtswesen.

Höhere Lehranstalten.

Bekanntlich teilen sich die höheren landwirtschaftlichen Lehranstalten in Institute, welche den Universitäten oder – wie in München – der Technischen Hochschule eingegliedert sind, und in landwirtschaftliche Hochschulen und Akademien: In Preußen sind die letzteren dem Landwirtschaftsministerium unterstellt, während die ersteren dem Ministerium für geistliche und Unterrichtsangelegenheiten unterstehen. Diese Verschiedenheit ist mit darauf zurückzuführen, daß Liebig die isoliert gelegenen landwirtschaftlichen Akademien 1861 sehr schroff bekämpfte und die Verlegung des höheren landwirtschaftlichen Unterrichts an die Universitäten forderte. Als dem in Preußen 1862 durch die Berufung Julius Kühns an die Universität zu Halle und durch die Begründung eines landwirtschaftlichen Universitätsinstituts (1863) entsprochen wurde und Kühn mit beispiellosem Erfolge das landwirtschaftliche Universitätsstudium inaugurierte, folgte man diesem Vorbilde auch an den Universitäten Göttingen (1872), Kiel (1873), Königsberg in Pr. (1876), Breslau (1881) und außerhalb Preußens in Jena, Leipzig und Gießen. Dafür gingen die meisten isolierten landwirtschaftlichen Akademien ein, und es verblieben nur Poppelsdorf im Anschluß an die Universität Bonn, Hohenheim, Weihenstephan, und

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1451. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/322&oldid=- (Version vom 20.8.2021)