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erfolgreicher Forscher auf diesem Gebiete herauszugreifen, auf die Arbeiten von Johne, Kitt und Schütz, den Altmeistern der pathologischen Veterinäranatomie, zu deren Arbeitsgebiete die Bakteriologie lange Jahre gehörte; auf die zahlreichen Untersuchungen, die aus den hygienischen Instituten der Berliner und der Hannoverschen tierärztlichen Hochschule unter v. Ostertags und Dammanns Leitung hervorgegangen sind; ferner auf die Rotlaufschutzimpfung von Lorenz, die heute noch unübertroffen ist, und die jüngsten serodiagnostischen Arbeiten von Schütz und seinen Schülern, denen wir einen wesentlichen Fortschritt in der Bekämpfung der Rotzkrankheit, dieser schwer tilgbaren und auf den Menschen übertragbaren Pferdekrankheit, verdanken.

Doch diese kurze Übersicht über die Ergebnisse tierärztlicher Seuchenforschung in den letzten 25 Jahren würde unvollkommen sein, wenn nicht auch der vielfachen Bemühungen, die Rindertuberkulose durch Schutzimpfung zu bekämpfen, gedacht würde, die während des letzten Jahrzehnts im Anschlusse an die bedeutungsvollen Tuberkulosearbeiten v. Behrings besonders auch von deutschen Tierärzten unternommen wurden. Obwohl diese Arbeiten, wie wir rückblickend heute wohl sagen dürfen, für die Praxis der Tuberkulosebekämpfung im großen und ganzen negativ verlaufen sind, so haben sie doch dazu beigetragen, erneut das Interesse für die schon vor 20 Jahren von dem dänischen Forscher Bang inaugurierte Bekämpfung der Rindertuberkulose durch veterinärpolizeiliche und hygienische Maßnahmen (tuberkulosefreie Aufzucht des Jungviehs und möglichst frühzeitige Erkennung und Unschädlichmachung aller infizierten Tiere) zu erwecken. Und wieder waren es deutsche Tierärzte, wie Siedamgrotzky und v. Ostertag, die den Gedanken Bangs den deutschen wirtschaftlichen Verhältnissen angepaßt und in dieser Form in die Praxis eingeführt haben, so daß man schließlich an der Hand der mit diesem Verfahren gewonnenen Erfahrungen dem Gedanken einer staatlichen Bekämpfung der Rindertuberkulose näher treten konnte.

Neues Reichsviehseuchengesetz.

Diese bedeutungsvollen Fortschritte auf fast allen Gebieten der Seuchenkunde mit immer neuen nicht mehr im Rahmen des alten Gesetzes erfüllbaren Anforderungen mußten allmählich von selbst zum weiteren Ausbau der Seuchengesetzgebung führen. Nachdem zunächst im Jahre 1894 ein Abänderungsgesetz als Ergänzung zu den bisher gültigen Bestimmungen erlassen war, begannen bereits an der Wende des Jahrhunderts die Vorarbeiten für ein neues Reichsviehseuchengesetz, welches nach schwierigen Verhandlungen und Beratungen in den maßgebenden Körperschaften endlich am 26. Juni 1909 Gesetzeskraft erlangte und am 1. Mai 1912, ergänzt und erläutert durch die Ausführungsvorschriften des Bundesrats sowie durch die Ausführungsbestimmungen der Bundesstaaten, für das ganze Deutsche Reich in Geltung getreten ist. Zahlreiche in langjähriger Praxis erprobte Maßnahmen sind in das neue Seuchengesetz und seine Ausführungsbestimmungen übernommen worden und erleichtern den Übergang. Andere sind den inzwischen gewonnenen neuen Erfahrungen angepaßt und zweckmäßig ausgebaut. Vieles ist völlig neu aufgenommen und muß erst noch die Feuerprobe der Praxis bestehen. So steht nach langer und mühseliger Arbeit das schwierige Werk heute vollendet da. Geleitet

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1435. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/306&oldid=- (Version vom 20.8.2021)