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eine große Zahl Menschen dringend geboten. Für viele Nervenkranke muß der Alkohol als ein starkes Gift bezeichnet werden. Für alle diejenigen, welche mit starken Erregungszuständen reagieren, alle diejenigen, welche den einmal begonnenen Genuß aus innerem Drang nach weiterer Betäubung fortsetzen und so das eigene Leben und das der Angehörigen zerstören, ist völlige Enthaltung von Alkohol das einzige Hilfsmittel. Es läßt sich auch behaupten, daß eine große Zahl von Menschen durch die völlige Abstinenz gerettet und die Familien wieder in geordnete Verhältnisse gekommen sind. Daß sich die völlige Enthaltung vom Alkohol für alle Kreise des Volkes durchführen läßt, ist unwahrscheinlich. Es hat sich auch in anderen Staaten gezeigt, daß die strengsten Gesetze das nicht zu erreichen vermochten. Deshalb müssen wir es begrüßen, daß auch eine Mäßigkeitsbewegung in erfolgreicher Weise eingesetzt hat. Man wird auch mit einem gewissen Recht annehmen können, daß der Rückgang des Säuferwahnsinns in den Jahren 1902–1904 auf weniger als die Hälfte gegenüber der vorangegangenen Jahren auf alle diese Bestrebungen zurückzuführen ist. Damit steht im Einklang, daß der Branntweinkonsum pro Kopf und Jahr in Deutschland im Jahre 1909–1910 einen beträchtlichen Rückgang zeigt. Immerhin ist der Konsum der alkoholischen Getränke in Deutschland noch recht beträchtlich. Die Ausgaben für diese werden im Jahr auf mehr als drei Milliarden geschätzt.

Die Mutterschafts- und Säuglings-Fürsorge.

Private Bestrebungen zur Mutterschafts- und Säuglingsfürsorge haben naturgemäß seit alten Zeiten bestanden. Aber erst seitdem der Gedanke der sozialen Fürsorge weiteren Boden gewann und auch in gesetzlichen Bestimmungen seinen Ausdruck fand, und seitdem die Zunahme des Wohlstandes es möglich machte, reichere Mittel für diese Zwecke zu gewinnen, haben die Bestrebungen größere Erfolge gezeitigt.

Mutterschutz.

Nachdem die Novelle zur Gewerbeordnung vom 23. August 1908 einen vierzehntägigen vorgeburtlichen Schutz der in Fabriken und Werkstätten beschäftigten Arbeiterinnen vorgesehen hatte, bestimmt die Reichsversicherungsordnung folgendes (§ 195):

Wöchnerinnen, die im letzten Jahr vor der Niederkunft mindestens sechs Monate hindurch auf Grund der Reichsversicherungsordnung oder bei einer knappschaftlichen Krankenkasse gegen Krankheit versichert waren, erhalten ein Wochengeld in Höhe des Krankengeldes für acht Wochen, von denen mindestens 6 Wochen auf die Zeit nach der Entbindung fallen müssen. Mitglieder der Landkrankenkassen erhalten das Wochengeld mindestens für vier und höchstens für acht Wochen. Weiterhin kann arbeitsunfähigen Schwangeren Krankengeld für sechs Wochen gewährt werden.

Auch Anstaltsfürsorge wird den Schwangeren durch Kommunen und Stiftungen, Wöchnerinnenheime besonders in größeren Städten vielfach gewährt, ebenso ärztliche Hilfe durch wohltätige Einrichtungen, welche zum Teil mit Unterstützung des Vaterländischen

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1429. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/300&oldid=- (Version vom 20.8.2021)