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Krankenkassen.

Auch die Klienten der Krankenkassen und selbst die nicht zahlungsfähigen Kranken sollten in viel energischerer Weise der Behandlung unterzogen werden, als es seither der Fall ist. Die hieraus entstehenden Kosten werden reichlich dadurch aufgewogen, daß spätere schwere Erkrankungen mit Aufhebung der Arbeitsfähigkeit aufgehalten werden. Für Kranke, welche sich einer Behandlung nicht unterziehen wollen, müßte die Möglichkeit bestehen, sie als Seuchenträger der Polizeibehörde anzuzeigen. Die Behandlung der Krankheit durch Kurpfuscher, welche so schwere Verschleppungen zur Folge hat, müßte ebenso im allgemeinen Interesse verboten werden.

Aufklärung.

Weiterhin ist aber eine dauernde Aufklärung der Bevölkerung am Platz. Ich kenne einen ländlichen Ort, in welchem seit vielen Jahren ein Arzt für alle die jungen Männer, welche zum Militärdienst eingezogen und den Gefahren größerer Städte ausgesetzt wurden, jährlich einige Vorträge über die Gefahren der Syphilis und verwandten Erkrankungen abhielt. Die Erfolge wurden als überraschend erfreulich bezeichnet. Auch seitens der Militärbehörde sind derartige Belehrungen der Rekruten angeordnet worden. Seitens der deutschen Gesellschaft sind auch Merkblätter und kurzgefaßte Flugschriften zur Belehrung der Bevölkerung ausgegeben worden. Man wird nach den vorliegenden Tabellen annehmen dürfen, daß diese Bestrebungen erfolgreich waren. Ich füge zum Schluß eine Tabelle von Blaschko an.

Häufigkeit der Syphilis und verwandten Erkrankungen am 20. April 1900.

□□□ Ganz Preußen 28:10 000
□□□□□□□□□□□□□□□Berlin 142:10 000
□□□□□□□□□□□□Städte über 100 000 E.: 100:10 000
□□□□□Städte über 30 000 E.: 58:10 000
□□□□ Städte unter 30 000 E.: 45:10 000
□□Armee 15:10 000
□Kleinstädte und Land 7,95:10 000

Die Bekämpfung des Alkoholismus.

Gefahr des Alkoholismus.

Der Alkoholismus gehört nächst der Tuberkulose und Syphilis zu den gefährlichsten Feinden des deutschen Volkes, um so gefährlicher, weil die Art, in welcher er den Menschen entgegentritt nicht immer abschreckend ist. Wenn man aber berücksichtigt, daß in Deutschland im Jahr 250 000 Verurteilungen wegen Vergehen und Verbrechen im Alkoholrausch erfolgen (Flade), wenn man die Statistik betrachtet, welche zeigt, daß in Deutschland in den Jahren 1898–1901 65 433 Menschen an Säuferwahnsinn erkrankten[1]


  1. Auf 100 Krankheitsfälle kamen an Alkoholismus und Säuferwahnsinn im ganzen Deutschland 1,4%, in der Provinz Westfalen 1,3%, in der Provinz Ostpreußen 2,1%, in der Provinz Hessen-Nassau 0,8%, in der Provinz Westpreußen 2,7%, in der Rheinprovinz 1%, in der Provinz Pommern 3,3%, in Hamburg 2%, in Bayern 0,3%.
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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1426. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/297&oldid=- (Version vom 20.8.2021)