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Seuche Platz greifen, die nur durch energisches Eingreifen in alle Verhältnisse bekämpft werden kann.

Heilstättenbehandlung.

Im Vordergrund des Kampfes steht an erster Stelle die Heilstättenbehandlung. Es ist das Verdienst des damaligen Vorsitzenden der Landesversicherungsanstalt der Hansastädte, Gebhardt, daß er in dem Invalidengesetz eine Handhabe zeigte, Gelder zum Bau von Heilstätten für Lungenkranke zu schaffen, soweit deren Zustand eine Wiederkehr der Erwerbsfähigkeit und demgemäß eine späterer Ersparung der Rente erwarten ließ. Der Gedanke von Gebhardt wurde allgemein aufgenommen, und soweit nicht die Versicherungsanstalten eigene Anstalten zur Behandlung ihrer Tuberkulösen ins Leben riefen, bewilligten sie zu geringem Zinsfuß anderen Vereinigungen Mittel zur Gründung derartiger Anstalten. Ende des Jahres 1909 besaßen die Versicherungsanstalten allein 97 Heilanstalten für Tuberkulöse; zu diesen kamen in der gleichen Zeit mehr als 60 weitere Anstalten, welche zum größten Teil der Beihilfe der Versicherungsanstalten ihre Entstehung verdanken. Daneben bestehen auch einzelne Privatanstalten, welche Kranke dritter Klasse aufnehmen. Außerdem haben einzelne Verwaltungsbehörden wie das Ministerium der öffentlichen Arbeiten Lungenheilstätten, so die Anstalt Stadtwald in Melsungen und Moltkefels bei Niederschreiberhau, unter Aufwendung großer Mittel für ihre Angestellten eingerichtet. Die Erfolge dieser Heilstätten sind im Laufe der Zeit durch bessere Auswahl der geeigneten Fälle und Fortschritte der Behandlung immer besser geworden. Von den in den Jahren 1897–1902 behandelten waren nach fünfjähriger Kontrollperiode noch 36−43% erwerbsfähig, von den 1897–1901 behandelten waren nach 5 Jahren noch 41% der Männer und 49% der Frauen erwerbsfähig.

Die Heilstättenbehandlung hat außer dem Erfolg der Behandlung auch den Vorteil, daß die Tuberkulösen über die Gefahr der Krankheitsübertragung aufgeklärt werden und in täglicher Übung durch Behandlung des Auswurfs und Verhalten beim Husten es lernen, ihre Umgebung nach Möglichkeit zu schützen.

Vorbeugende Maßregeln.

Die erfolgreichen Versuche zur Bekämpfung der Tuberkulose gaben die Anregung zu weiterem Ausbau des Begonnenen. Die nächste Aufgabe bestand in der möglichst frühzeitigen Erkennung der Tuberkulose. Im Jahre 1899 wurde in Berlin die Königliche Poliklinik für Lungenkranke eröffnet und mit allen Hilfsmitteln zur frühzeitigen Erkennung der Tuberkulose ausgestattet. In den verschiedensten Universitätsinstituten und Krankenhäusern wurden besondere Stationen zu diesem Zweck eingerichtet, die weiterhin zu erwähnenden Fürsorgestellen übernahmen die gleiche Aufgabe; die Ärzte wurden immer erneut auf die Bedeutung der frühzeitigen Diagnose und Behandlung aufmerksam gemacht. Die zweite Aufgabe bestand in dem Schutz der Gesunden gegenüber Ansteckung und der möglichsten Entfernung der Lungenkranken aus der Familie. Die Befugnis der Landesversicherungsanstalten den Rentenberechtigten an Stelle der Rente Heimstättenpflege zu gewähren führte zur Errichtung von Invalidenhäusern und Unterbringung

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1422. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/293&oldid=- (Version vom 20.8.2021)