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Schutzmaßregeln.

Unter den Schutzmaßregeln gegen die Verbreitung einer ansteckenden Krankheit steht an erster Stelle die gesetzlich mögliche Absonderung der ansteckungsfähigen Person, weiterhin die gesundheitspolizeiliche Überwachung des Vertriebs von Gegenständen, welche geeignet sind, die Krankheit zu übertragen, die Überwachung der in der Schiffahrt und der Flößerei und in Transportbetrieben tätigen Personen, die Sorge für einwandfreies Trink- und Badewasser, resp. das Verbot der Benutzung verdächtigen Wassers, die Räumung und Desinfektion von Wohnungen, die Vertilgung von Ratten und Mäusen, welche Träger der Krankheitserreger sein können, die Kontrolle der Seeschiffer sowie der einwandernden Personen. Zu diesen allgemeinen Maßnahmen kommen noch diejenigen für die einzelnen Erkrankungen hinzu.

In der Hamburger Choleraepidemie erwies sich die Verabreichung von einwandfreiem Trinkwasser an die Bevölkerung als die wichtigste Aufgabe. Da das Leitungswasser verseucht und die Sandfiltrationsanlage noch nicht fertiggestellt war, wurde gekochtes und abgekühltes Wasser an den verschiedensten Stellen der Stadt an die Bevölkerung abgegeben, ebenso Wasser aus artesischen Brunnen. Im Herbst 1893 war die Wasserversorgungsanlage durch Sandfiltration fertiggestellt, aber durch einen unglücklichen Zufall brach unreines Elbwasser in die neue unter der Elbe geführte Wasserleitung für einige Tage ein, und 48–72 Stunden später traten wieder die ersten Cholerafälle, 14 Tage später Typhusfälle auf, ein Beweis, welche Bedeutung für beide Erkrankungen dem Wasser zukommt. Doch blieben die Cholerafälle vereinzelt, ebenso wie die 1905 und 1906 von Rußland und der Weichsel eingeschleppten Fälle.

Die Pest ist bisher nur vereinzelt in Deutschland eingeschleppt worden; die einzelnen Fälle und die Verdächtigen wurden sofort isoliert, die Schiffe und alles was verdächtig war, wurde desinfiziert, die Ratten der Schiffe, welche vielfach Träger der Pestbazillen sind, wurden möglichst vergiftet. Den sorgfältigen und energischen Maßnahmen dürfte es zuzuschreiben sein, daß wir bisher von einer Seuche verschont blieben.

Gegen das Gelbfieber gelten vor allem Vorschriften, welche die Behandlung verdächtiger Seeschiffe betreffen, Desinfektion der Räume mit möglichster Abtötung der Stechmücken. Die Pocken haben noch 1871–1872 in einer großen Epidemie geherrscht; in Preußen allein starben in dieser Zeit 149148 Personen an Pocken. Seit der konsequenteren Durchführung der Jennerschen Kuhpockenimpfung kommen meist nur vereinzelte Fälle vor. Aber diese zeigen, wie leicht und wie schwer ungeschützte Personen erkranken können. Es ist gegenüber der Pockengefahr unbegreiflich, daß es noch immer Gegner der Impfung gibt. Ein Arzt dieser Art, in Frankfurt, welcher einen Pockenfall nicht anzeigte, hat nicht nur die Erkrankung auf andere übertragen, sondern ist auch selbst an den Pocken erkrankt − hoffentlich von seinem Wahn nunmehr bekehrt. Jedenfalls haben die häufigen und unschädlichen Impfungen aller, welche im Eppendorfer Krankenhaus mit Pocken in Berührung kommen, dazu geführt, daß im Krankenhaus selbst Übertragungen nicht vorgekommen sind. Einmal hat ein Straßenarbeiter durch verbotene Berührung von Watte in einem Verbrennungsraume des Pockenpavillons die Krankheit

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1416. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/287&oldid=- (Version vom 20.8.2021)