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gehören die Bleifarben- und Bleizuckerfabriken, die Herstellung von Alkalichromaten, Zinkhütten, Zink- und Bleierzbergwerke, Quecksilber-Spiegelbeleganstalten, Glashütten, Fabriken elektrischer Akkumulatoren, die Betriebe zur Herstellung von Thomasschlackenmehl, Anilin-, Nitro- und Aminoverbindungen.

Die Zulassung jugendlicher Arbeiter zu Beschäftigungen dieser Art ist abhängig von einem Zeugnis, das ein von der höheren Verwaltungsbehörde ermächtigter Arzt ausstellen muß. Für viele Betriebe, dazu gehört auch die Tabakbearbeitung, ist die Entfernung des entstehenden Staubes und etwaiger Dünste neben ausreichendem Licht, Luftraum und Luftwechsel die erste Aufgabe. Für die Metallschleifereien und die Bearbeitung des Sandsteins ist die Arbeit unter Wasserzufluß ein wichtiges Schutzmittel. Für Kunstwollfabriken, Lumpensortierereien, Roßhaarspinnereien ist die möglichst maschinelle Bearbeitung und die Entfernung des Staubs durch Exhaustoren empfohlen worden. Dasselbe gilt für die Tabakbearbeitung, Spinnereien und Webereien. Während in früherer Zeit Spinner und Weber und besonders die Weber der Hausindustrie in hohem Maße an Tuberkulose starben, hat die Einführung des mechanischen Betriebs in großen luftigen Sälen mit den Einrichtungen moderner Hygiene den erfreulichen Erfolg zu verzeichnen, daß die Schwindsuchtssterblichkeit in dieser Industrie ganz beträchtlich zurückgegangen ist.

In Betrieben mit giftigem Staub ist das Tragen von Arbeitsanzügen und Mützen angeordnet, bei hautreizenden und schädigenden Stoffen Einfetten oder Benutzung wasserdichter Handschuhe oder entsprechenden Schuhzeugs, bei Gefahr elektrischer Kraftübertragung die Benutzung von Gummihandschuhen und Gummischuhen. Vielfach ist es notwendig, die Arbeiter Respiratoren tragen zu lassen, um die Atmungsorgane zu schützen. Es kommt das vor allem bei der Bearbeitung der verschiedenen Bleiverbindungen in Betracht. Bei der Verarbeitung von Phosphorverbindungen ist das Abführen der Dämpfe und die Einrichtung eines großen Luftraumes gesetzlich angeordnet. Die gleiche Verordnung besteht für Betriebe, in welchen Quecksilber verarbeitet wird. Für diese ist auch eine gewisse kühle Temperatur vorgeschrieben. Ebenso haben die Verarbeitung von Arsenik, Antimon, Schwefelkohlenstoff, Nitrobenzol Veranlassung zu gesundheitspolizeilichen Gesetzen und Vorschriften gegeben.

Eine der wichtigsten Maßnahmen ist die Anordnung, daß die Arbeiter in den Arbeitsräumen keine Speisen und Getränke nehmen, nicht rauchen, schnupfen und Tabak kauen dürfen. Nach Aufhören der Arbeit sollen sie die Arbeitskleider ablegen eine gründliche Waschung, am besten ein Bad, nehmen, Finger, Nägel, Mund, Zähne, Naseneingang sorgfältig reinigen und dann eine andere Kleidung anlegen. Es ist erfreulich an der Hand der Statistik zu verfolgen, wie sehr sich die gewerblichen Vergiftungen vermindert haben. Am deutlichsten dokumentieren sich die Erfolge in den Spiegelfabriken von Fürth und Nürnberg; aber in allen Betrieben, in welchen die Arbeiter die Vorschriften befolgen, ist eine wesentliche Besserung gegen früher nicht zu verkennen. Die Schwierigkeit beruht nur in der konsequenten Durchführung der Arbeitsordnungen.

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1412. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/283&oldid=- (Version vom 20.8.2021)