Seite:Deutschland unter Kaiser Wilhelm II Band 3.pdf/249

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

der Lymphdrüsen, Gelenk- und Knochenkrankheiten, der Fremdkörper und Steine, der bösartigen Geschwülste eine weitgehende Förderung erfahren hat. Die Wichtigkeit der Röntgenstrahlen für die Bekämpfung des Krebses, für die Therapie der Knochenbrüche, für die Orthopädie und Kriegschirurgie wird uns im einzelnen noch zu beschäftigen haben. Eine wissenschaftliche Chirurgie ohne Röntgenverfahren ist heute nicht mehr denkbar.

Bekämpfung der Wundinfektionskrankheiten.

Der Aufschwung, den die Lehre von der Infektion in den jüngst vergangenen Dezennien genommen hat, auf dem, wie wir sahen, auch der ganze stolze Bau der Asepsis letzten Endes beruht, ist nicht nur der Erkenntnis und Bewältigung der eigentlichen Seuchen, sondern auch der Verhütung und Bekämpfung der Wundinfektionskrankheiten zugute gekommen. Dank der Asepsis sind furchtbare Wunderkrankungen, wie der Hospitalbrand, der früher, namentlich in Kriegszeiten, die verheerendsten Hospitalendemien veranlaßt hat, völlig verschwunden; in Kulturländern wird man kaum noch ein Mitglied der jüngeren Ärztegeneration finden, dem ein echter Fall von Hospitalbrand zu Gesicht gekommen ist. Andere Wundinfektionskrankheiten sind zwar nicht erloschen, aber sie haben doch aufgehört, als Komplikation operativer Eingriffe und als ständiger Gast chirurgischer Krankenräume eine Rolle zu spielen. So hat noch vor wenigen Dezennien mancher Krankensaal geräumt werden müssen, weil das Erysipel, die Wundrose, immer von neuem aufflammte und von Bett zu Bett wanderte. Die Sorgfalt unserer modernen Wundbehandlung hat dazu geführt, daß wir mit dieser und mancher anderen ernsten Gefährdung operativer Resultate nicht mehr zu rechnen brauchen.

Aber nicht nur in der Verhütung, auch in der Bekämpfung der Wundinfektionskrankheiten haben wir einen guten Schritt vorwärts getan. Die Serumbehandlung leistet wertvolle Dienste im Kampfe gegen die Wunddiphtherie, den Wundstarrkrampf, die allgemeine Blutvergiftung durch Streptokokken, den menschlichen Milzbrand, den Biß giftiger Schlangen. Die Pasteursche Schutzimpfung hat der Hundswut den größten Teil ihres Schreckens genommen.

Bei der Bewältigung der so häufigen Wundinfektion durch Eiter- und Fäulniserreger, mag sie nun unter dem Bilde der Zellgewebseiterung (Phlegmone), der eitrigen Knochenmarkentzündung, der Vereiterung von Sehnenscheiden, Schleimbeuteln und Gelenken in Erscheinung treten, wird stets der rechtzeitige operative Eingriff das ausschlaggebende Verfahren bleiben; die frühe Entdeckung und kunstgerechte Eröffnung des gefährlichen Eiterherdes ist das beste und meist das einzige Mittel, um dem Fortschreiten der Eiterung und dem Eintritte der septischen Allgemeininfektion vorzubeugen. Ist letztere einmal zustande gekommen, so besitzen wir zwar in der Serumbehandlung, in der Einspritzung kolloidaler Antiseptika in die Blutbahn, in dem ganzen ärztlichen Apparate, der die Kräfte zu erhalten, die Schädigungen des Herzens und der Nieren zu beseitigen dient, gewisse Hilfsmittel, um den Körper in seinem Kampfe gegen die Eindringlinge und ihre giftigen Stoffwechselprodukte zu unterstützen: eine eigentliche Heilwirkung

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1378. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/249&oldid=- (Version vom 20.8.2021)