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dieser Arbeit ihre Entstehung. Besonders segensreich erwies sich in Deutschland die Unterstützung der Landesversicherungsanstalten beim Bau von Volksheilstätten, eine ganze Anzahl unter ihnen gehören dieser Verwaltungsbehörde. Es ist dadurch ermöglicht worden, daß jährlich mehr als 35 000 Lungenkranke auf Kosten der Versicherung 3 Monate lang zur Kur in diesen Anstalten Aufnahme finden können. Es bestehen in Deutschland 1913:

149 Heilstätten für Erwachsene;
130 Heilstätten für tuberkulöse Kinder, für Tuberkulose bedrohte, skrofulose,
108 Heilstätten für erholungsbedürftige Kinder;
115 Heilstätten Walderholungsstätten;
019 Heilstätten für Knochen- und Gelenktuberkulose.

Dazu kommen eine große Anzahl von Invalidenheimen und Pflegeheimen, ländlichen Kolonien und Genesungsheimen, 18 Waldschulen und 35 Beobachtungsstationen für Lungenkranke. Außerordentlich segensreich hat sich die Einrichtung der Auskunfts- und Fürsorgestellen erwiesen, von denen wir zurzeit in Deutschland 819 besitzen. Nach Mitteilungen, welche Pütter, der Gründer der ersten deutschen Fürsorgestelle in Halle, auf der I. Versammlung der Kommission für den Ausbau des Auskunfts- und Fürsorgestellenwesens für Lungenkranke im Jahre 1911 gemacht hat, kommen von sämtlichen Lungenkranken und Tuberkulösen des Deutschen Reiches etwa nur 30% für die Heilstätten in Betracht, während die übrigen 70% zu Hause sitzen und ihrem Schicksale mehr oder weniger überlassen bleiben. Für diese 70% treten grade die Auskunfts- und Fürsorgestellen ein, welche zum Teil aus privaten, zum Teil aus städtischen und staatlichen Mitteln gegründet wurden; sie gehen den Kranken mit Rat und Tat zur Hand und suchen durch Aufklärung und vor allem praktische Wohnungshygiene den Kampf in die Wohnung des Kranken selbst zu tragen. Zweifellos ist noch viel, sehr viel zu leisten; doch ist das bisher Erreichte erfreulich, von 10 000 Lebenden starben 1877 ca. 32 Menschen an Tuberkulose, 1911 ca. 15,9. Dieser Erfolg ermutigt zu weiterem Kampfe, es gilt, des größten Würgengels der Menschheit Herr zu werden, welcher alljährlich noch mehr Opfer fordert, als die blutigsten Kriege. Es kommt besonders darauf an, die Tuberkulose im Kindesalter weiter zu bekämpfen und mehr noch als bisher Prophylaxe zu treiben, zu verhüten, daß die Menschen sich so häufig wie bisher mit Tuberkulose infizieren. Durch Einrichtung von gesunden Wohnungen und Isolierung von schwerkranken, Tuberkelbazillen aushustenden Kranken, für welche in bester Weise zu sorgen ist, wird und muß es gelingen. Es wird zurzeit mit großem Eifer gearbeitet, mittelst chemischer Mittel, der physikalischen Heilmethoden, besonders mit Sonnen- und Röntgentherapie die Tuberkulose zu behandeln. Die Erfolge der Sonnentherapie im Hochgebirge sind staunenswert, gar manche Kranke mit Knochentuberkulose wurde dadurch bereits dem Messer des Chirurgen ferngehalten. Als sehr bemerkenswert sind aber die Bemühungen, durch Operation Lungenkrankheiten, besonders die Lungentuberkulose zu bekämpfen, besonders hervorzuheben, Quincke und Garrè gingen als erste zielbewußt auf diesem schwierigen Gebiete vor.

Der von vielen Ärzten bekämpfte Optimismus Brehmers, welcher die erste deutsche Heilstätte in Görbersdorf in Schlesien errichtete, hat mehr, als es dieser begeisterte Vorkämpfer

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1361. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/232&oldid=- (Version vom 20.8.2021)