Seite:Deutschland unter Kaiser Wilhelm II Band 3.pdf/226

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


Bekämpfung der Infektionskrankheiten.

Noch sind eine große Anzahl von Krankheiten vorhanden. deren Erreger wir nicht kennen, dazu gehören vor allem die sogenannten exanthematischen Krankheiten (Masern, Scharlach, Pocken, Windpocken, Fleckfieber), die Leistungen der letzten Jahrzehnte sind aber außergewöhnlich groß; sie haben unsere Anschauungen über die Infektion von Grund aus geändert und damit die Grundlage geschaffen zur Bekämpfung der Infektionskrankheiten. Das Gesetz vom 30. Juli 1900, welches die staatlichen Maßnahmen bei Pocken, Flecktyphus, Gelbfieber, Pest, Cholera und Lepra enthält, gibt davon Kunde.

Der Hauptsache nach handelt es sich um eine Verbreitung, respektive Einschleppung dieser Krankheiten zu verhindern, um eine Überwachung des Personenverkehrs (Überland-, Schiffahrts-, Flußverkehr, Binnenverkehr), des Warenverkehrs (besonders bei häufig infizierten Waren, wie Hadern, Lumpen) die Schiffe werden bei Pestverdacht auf infizierte Pestratten untersucht), Wohnungsüberwachung, Schaffung geeigneter Transportmittel (Infektionskrankenwagen), schnelle Unschädlichmachung von infizierten Leichen (Einschlagen in Sublimattücher, schnelle Entfernung aus den Häusern), Überwachung von Trinkwasserleitungen ist in guter Weise organisiert.

Bei Masern, Scharlach, Keuchhusten, Diphtherie, Zerebrospinalmeningitis, Influenza, Abdominaltyphus, Dysenterie und Tuberkulose bestehen keine Reichsbestimmungen. Die Bundesstaaten gehen sehr verschieden vor. Die preußischen Bestimmungen sind in den Anweisungen des Kultusministers zur Ausführung des Gesetzes betreffend die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten vom 28. August 1905 enthalten. Auf Grund der bakteriologischen Kenntnisse ist die Isolierung des infizierten Kranken als das zuverlässigste Mittel zur Einschränkung der Infektionskrankheiten immer mehr in Aufnahme gekommen. Die größeren Krankenhäuser haben heute alle Isolierabteilungen; auch das Publikum hat sich von Jahr zu Jahr mehr daran gewöhnt, bei Infektionen wie Diphtherie, Scharlach usw. selbst die Kinder freiwillig in die Krankenhäuser zu überweisen.

Die Überwachung der Schule, welche durch die Schulärzte sehr erleichtert wird, ist bei epidemischen Krankheiten unbedingt erforderlich.

Die bakteriologische Untersuchung hat uns auch die Kenntnis darüber gebracht, daß es gesunde Personen gibt, welche pathogene Keime beherbergen und dadurch ihrer Umgebung gefährlich werden, sie werden als „Bazillenträger“ bezeichnet und spielen besonders bei Verbreitung der Genickstarre, der Diphtherie und des Typhus abdominalis eine Rolle.

Durch Anlegen von guten Wasserleitungen, Regelung des Abfuhrwesens (Kanalisation), durch Wohnungshygiene wurde viel auch zur Vermeidung von Infektionskrankheiten geleistet. In Preußen sind überall als beratende Instanz zur Unterstützung der Kreisärzte „Gesundheitskommissionen“ eingesetzt, welche die Verhältnisse an Ort und Stelle jahraus, jahrein zu bessern suchen.

Viele Gemeinden führen die Desinfektion von infizierten Wohnungen kostenlos

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1355. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/226&oldid=- (Version vom 20.8.2021)