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Phosphor durch Meisenheimer, mit asymmetrischem Schwefel und Zinn durch die Engländer F. Challenger und F. S. Kipping, mit asymmetrischem Kobalt, Eisen, Chrom und Rhodium durch Werner. Die Isomerien, die sich bei olefinischen Substanzen finden, haben schon van't Hoff und Le Bel stereochemisch zu erklären versucht. Die experimentelle Brücke zwischen der Isomerie olefinischer und optisch aktiver Substanzen stellten Aug. Kekulé und R. Anschütz bereits 1880 und 1881 her, indem sie durch Oxydation Fumarsäure in Traubensäure und Maleinsäure in Mesoweinsäure überführten. J. Wislicenus hat den Mechanismus der Übergänge der olefinischen Isomeren, die er als axial- und plansymmetrische Modifikationen unterscheidet, ineinander auf Anlagerung und Abspaltung der die Polymerisation bewirkenden anorganischen Moleküle zurückgeführt. Die Unzulänglichkeit dieser Erklärung bewiesen R. Anschütz, sowie der Amerikaner A. Michael. Die Versuche diese Übergänge zu erklären, die von Vorstellungen über das Wesen der mehrfachen Bindung von Kohlenstoffatomen ausgehen, ziehen sich bis in die Gegenwart hinein.

Schon van’t Hoff sicherte die Ansicht, daß das Auftreten optischer Aktivität bei Kohlenstoffverbindungen durch Enantiomorphismus der Molekulartonfiguration veranlaßt werden könne, ohne daß ein asymmetrisches Kohlenstoffatom in der Verbindung vorhanden sei. Experimentell begründeten 1909 die Engländer W. H. Perkin und W. F. Pope in Gemeinschaft mit O. Wallach diese Auffassung. Von 1883 ab beginnen Arbeiten von P. Walden in Riga über die nach ihm benannte „Waldensche Umkehrung“, das heißt, die gegenseitige Umwandlung optisch aktiver Antipoden ineinander. Diese Arbeiten brachten in erster Linie die Annahme ins Wanken, daß die vier Valenzen eines Kohlenstoffatomes im Raum nach den Ecken eines dem Kohlenstoffatom umschriebenen regulären Tetraeders gerichtet seien, eine Annahme, die schließlich bei manchen zu der eigenartigen Vorstellung geführt hatte, das Kohlenstoffatom selbst habe Tetraederform. In gleicher Richtung wirkten die Erfahrungen über wechselseitige Umwandlung olefinischer Isomeren, ferner die Erscheinungen der sogenannten Tautomerie, die intramolekularen Atomverschiebungen, das Ausbleiben von Analogiereaktionen, das mehr oder weniger leichte Eintreten von Anlagerungs- und Abspaltungsreaktionen. Untersuchungen über die Abhängigkeit der verschiedensten Reaktionen von Substanzen aus gleicher homologer Reihe von der Konstitution ließen die verschiedene Affinitätsbeanspruchung durch ein und dieselbe Gruppe deutlich hervortreten. Betrachtungen über die Affinitätsbeanspruchung des Kohlenstoffatomes ergaben sich auch aus der Entdeckung des Triphenylmethyls oder Hexaphenyläthans durch den Amerikaner Gomberg (1900), zu deren Verallgemeinerung und Deutung die Arbeiten von Schmidlin und Schlenk wesentlich beitrugen. Eine große Zahl von Forschern haben sich mit der Untersuchung der von Conrad Laar seinerzeit als Tautomerieerscheinungen gekennzeichneten Reaktionen beschäftigt. Die Annahme Laars, daß derartige Verbindungen aus einem beständig in Neubildung begriffenen Gemisch der Strukturisomeren bestehen, indem ein leicht bewegliches Wasserstoffatom zwischen zwei Gleichgewichtslagen oszilliert, hat sich als unhaltbar erwiesen. Denn 1896 fanden ziemlich gleichzeitig Ludwig Claisen, A. Hantzsch und Schultze, der Holländer Hollemann, W. Wislicenus und Knorr bei einer Anzahl tautomerer

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1317. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/188&oldid=- (Version vom 20.8.2021)