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des Kautschuks grundlegende Bedeutung hat. A. Baeyer und Villiger erkannten 1899 in der Caroschen Säure oder Sulfomonopersäure, ein eigenartig wirkendes Oxydationsmittel, mit dem sie karbozyklische Ketone in heterozyklische Laktone umwandeln konnten, während die einfachen Ketone und die Aldehyde in Peroxyde übergehen (1900). Aus Diäthylsulfat erhielten sie mit Wasserstoffsuperoxyd das Äthylhydroperoxyd und das Diäthylperoxyd. Wolffenstein zeigte, daß Azeton und Wasserstoffsuperoxyd ein Azetonperoxyd geben (1896) und Trialkylamine in Trialkylaminoxydhydrate übergehen (1901). Ein sehr mildes Oxydationsmittel ist in Gegenwart von Eisensalzen Wasserstoffsuperoxyd für aliphatische Oxyverbindungen, wie Fenton in Cambridge 1894 fand, der damit Weinsäure in Dioxymaleinsäure, Glylol in Glykolylaldehyd umwandeln konnte.

Neue Kernsynthesen.

Wir gehen zu Kernsynthesen über. Eine Methode von fast unbeschränkter Anwendbarkeit wurde 1898 von Barbier in Lyon entdeckt und auf seine Veranlassung von seinem Schüler Grignard ausgebildet, sie beruht auf der Bildung und Anlagerungsfähigkeit organischer Magnesiumhaloidverbindungen und liefert eine überraschende Möglichkeit der Ausführung von Kernsynthesen. Durch Zersetzung der in Äther leicht entstehenden Magnesiumverbindungen kann man Kohlenwasserstoffe, Alkohole, Aldehyde, Ketone, Karbonsäuren und manche andere Klassen früher schwer zugänglicher Kohlenstoffverbindungen in einfacher Weise gewinnen. In außerordentlichem Umfang sind in den letzten 25 Jahren die Azetessigester-, Malonester- und Zyanessigestersynthesen angewendet worden. Am ihre Ausgestaltung haben sich Ludwig Claisen, Knoevenagel, der Amerikaner Arthur Michael, W. H. Perkin jun., Vorländer, W. Wislicenus, R. Anschütz u. a. Forscher erfolgreich bemüht. Die Kolbe-Kekulésche elektrolytische Spaltung aliphatischer Mono- und Dikarbonsäuren übertrugen 1891 Alex. Crum Brown und J. Walker in Edinburg auf die Salze von Dikarbonestersäuren und erreichten dadurch die Synthese von Ditarbonsäureestern. Die Lichtenergie benutzten von 1886 an H. Klinger sowie Ciamician in Padua, später Stobbe, der Italiener Paternò, Störmer, Benrath u. a. m., um sonst nicht oder nur schwierig herbeizuführende Umsetzungen, Umlagerungen, Aufspaltungen und Synthesen von organischen Verbindungen zu bewirken. Als Lichtquellen dienten neben dem Sonnenlicht in neuerer Zeit die ultravioletten Strahlen der Quecksilberlampen. Zu den katalytischen Reaktionen gehört die wesentlich von F. Ullmann in den letzten Jahren untersuchte reaktionserleichternde Wirkung fein zerteilten Kupfers auf im allgemeinen reaktionsträge aromatische Halogenverbindungen.

Neue Klassen von Kohlenstoffverbindungen.

Überblickt man das System der organischen Chemie, so sind im Laufe der letzten 26 Jahre eine Reihe neuer Körperklassen dargestellt worden, von denen eine ganze Anzahl in den vorausgegangenen Abschnitten bereits erwähnt wurde. Im nachfolgenden sollen noch einige der merkwürdigeren angeführt werden. Manche früher nur in aromatischen Vertretern bekannte Klassen von Verbindungen sind auch in der aliphatischen Chemie aufgefunden worden. Aliphatische Jodidchloride lehrte

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1314. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/185&oldid=- (Version vom 20.8.2021)