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und von Kurlbaum 1898 am schwarzen Körper für Temperaturen geprüft worden, die zwischen der der flüssigen Luft und 2300° C liegen.

Energieverteilung im Spektrum.

Für die Verteilung der Energie im Spektrum hat W. Wien 1893 das nach ihm benannte Verschiebungsgesetz auf theoretischem Wege aufgestellt: „Die Wellenlänge der maximalen Strahlungsenergie eines strahlenden Körpers ist seiner absoluten Temperatur umgekehrt proportional.“ Dann hat Planck eine vollständige Formel für die Energieverteilung im Spektrum theoretisch hergeleitet. Beide Gesetze sind ebenfalls von Lummer und Pringsheim experimentell geprüft und bestätigt worden. Abgesehen von der theoretischen Wichtigkeit dieser Gesetze und von der Übereinstimmung, die die theoretisch hergeleiteten Gesetze mit den tatsächlichen Versuchsergebnissen zeigen, haben sie eine sehr große praktische Bedeutung, indem sie zur Konstruktion von Pyrometern geführt haben, mit denen man selbst die höchsten Temperaturen irgendeines Körpers auf optischem Wege messen kann. Vielfache Anwendung hat das Wannersche Pyrometer gefunden. Mit Hilfe dieses und ähnlicher auf den Strahlungsgesetzen begründeter Apparate kann man die Temperatur eines glühenden Körpers aus der Art des Lichts bestimmen, das dieser Körper ausstrahlt. Man braucht z. B. mit einem solchen Pyrometer nur in die Glut eines Hochofens aus der Entfernung hineinzusehen und gewisse Ablesungen vorzunehmen, um die Temperatur zu bestimmen, ohne daß man etwa einen Teil des Apparates in die Glut hineinversenkt. Auch die Temperatur der Sonnenoberfläche ist auf strahlungstheoretischem Wege zu etwa 6000° C bestimmt worden. Durch die Erkenntnis der Strahlungsgesetze sind uns auch die Wege vorgezeichnet, auf denen wir zu einer Erhöhung der Lichtausbeute einer Lichtquelle kommen können.

Kinetische Gastheorie.

Die besonders von Boltzmann und Planck eingehend behandelten thermodynamischen Gesetze greifen zurück auf die sog. kinetische Gastheorie, deren Begründung auf die Arbeiten von Clausius aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts zurückgeführt werden müssen. Nach dieser Theorie besteht das Wesen der Wärme eines Gases in einer außerordentlich raschen Bewegung der einzelnen Gasmolekeln. So bewegen sich z. B. die Luftmolekeln bei gewöhnlichem Luftdruck und der Temperatur von 0° C mit einer Geschwindigkeit von etwa 500 Metern in der Sekunde. Das ist die Geschwindigkeit einer abgeschossenen Kanonenkugel. Die Bewegungen erfolgen ungeordnet, hierbei stehen die Gasmolekeln oft an andere, prallen voneinander ab, ändern dadurch ihre Richtung und bewegen sich weiter. Die Strecke, die sie bei dieser Bewegung durchschnittlich geradlinig zurücklegen, beträgt etwa nur 1/10 000 mm. Würden sich die Gasmolekeln mit derselben Geschwindigkeit alle in derselben Richtung bewegen, so würde dieses einen Luftstrom bedeuten, gegen den die Geschwindigkeit eines Orkans mit der Geschwindigkeit von etwa 50 Metern in der Sekunde sehr gering wäre. Die ungeordnete Bewegung der Gasmolekeln kommt uns durch ihre Temperatur zum Bewußtsein. Boltzmann und Planck haben ihre thermodynamischen Grundgleichungen auf das Prinzip aufgebaut,

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1287. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/158&oldid=- (Version vom 20.8.2021)