Seite:Deutschland unter Kaiser Wilhelm II Band 3.pdf/156

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

schlug F. Braun ein. Er erkannte, daß die von den Entladungsfunken ausgehenden elektrischen Schwingungen außerordentlich mannigfaltiger Art und akustisch etwa vergleichbar sind mit einem mächtigen Paukenschlag. Würde man die Schwingungen mehr denen eines akustischen Tones ähnlich machen können, so würde man am Empfänger die Resonanzwirkung ausnutzen können, die schon mit kleinen Energiemengen einen gleich gestimmten Körper zum Schwingen bringt. Außerdem würde man den Vorteil erreichen, daß Geber und Empfänger zueinander abgestimmt werden können, und zwar so, daß ein Geber von bestimmter Schwingungszahl immer nur auf einen Empfänger von derselben oder wenigstens von benachbarter Schwingungszahl wirken würde, während er auf einen nicht abgestimmten Empfänger wirkungslos bleiben würde. Nach sorgfältiger theoretischer Entwickelung und mühsamen Laboratoriumsexperimenten dehnte er dann um die Jahrhundertwende seine Versuche auf größere Entfernungen mit Erfolg aus.

Telefunken.

Fast gleichzeitig mit Braun hatte Slaby in Berlin an der Ausbildung der drahtlosen Telegraphie gearbeitet. Leider bekämpften sich beide Forscher Jahre hindurch zum Schaden der deutschen Industrie, so daß die englische Marconi-Gesellschaft freie Hand hatte, um sich manche Geschäftsabschlüsse zu sichern, die bei einmütigem Zusammengehen der beiden deutschen Forscher vielleicht nicht zustande gekommen wären. Daher atmete man in allen wissenschaftlichen und technischen Kreisen Deutschlands erleichtert auf, als es 1903 zur Verschmelzung der beiden Systeme Slaby und Braun und der auf Grund dieser Systeme gebildeten Gesellschaften kam. Die Vereinigung zu der Gesellschaft „Telefunken“ war der Grundstein zu dem Weltruf der deutschen drahtlosen Telegraphie. Ein weiterer Fortschritt von grundlegender Bedeutung wurde durch den Dänen Poulsen geschaffen, dem es gelang, sogenannte ungedämpfte Schwingungen mit Hilfe des singenden Lichtbogens zu erzeugen. Jedoch wurde seine Erfindung sehr bald abgelöst durch Benutzung des von M. Wien in Danzig erfundenen sogenannten Löschfunkens, mit Hilfe dessen man auf der Gebestation eine außerordentlich hohe Energiemenge in Form von reinen elektrischen Schwingungen in den freien Luftraum senden kann; zugleich erreichte man eine Abstimmung von einer bis dahin unerwarteten Höhe und Genauigkeit. Hierdurch wurde zugleich die instrumentelle Grundlage für eine drahtlose Telephonie geschaffen, deren Entwickelung soeben begonnen hat. Man kann die Erfindung der drahtlosen Telegraphie und ihren systematischen Ausbau auf wissenschaftlicher Grundlage bis zur höchsten technischen Vollkommenheit als die Frucht eines durch und durch deutschen Fleißes ansehen.

Die Hertzschen Versuche, die durch die drahtlose Telegraphie eine so eminente praktische Anwendung erfahren haben, sind gleichzeitig der Ausgangspunkt wichtiger Untersuchungen und Forschungen auf dem Gebiete der theoretischen Physik geworden. Zu dieser Entwickelung haben natürlich auch die anderen Entdeckungen auf den verwandten Gebieten: die Kathodenstrahlenforschung, die Radioaktivität u. a. ihren Teil beigetragen. Sie lassen sich zusammenfassen in den Fragen nach der Natur der Elektrizität, nach der Art der Ausbreitung elektrischer Kräfte und nach der Zurückführung der physikalischen

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1285. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/156&oldid=- (Version vom 20.8.2021)