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gefüllten Röhren herstellte, das lebhafteste Interesse erregt, und sehr bald nachdem dieser durch seine Röhren bekannt gewordene Glasbläser jedem die Beobachtung leicht ermöglicht hatte, hatte man erfahren, daß die Farbe des Lichtes in erster Linie von der Farbe der in den Röhren enthaltenen Gase abhängt. Als dann zuerst Plücker 1858 und dann Hittorf 1869 die Erscheinungen beobachteten, die mit der elektrischen Entladung in Röhren verbunden sind, in denen die Gasmengen bis auf einen verschwindend geringen Rest ausgepumpt sind, erregten diese nur in geringem Maße das Interesse weiterer Kreise, weil die Lichterscheinungen an Schönheit weit hinter den in Geißlerschen Röhren auftretenden zurückbleiben. Erst infolge der Veröffentlichungen des englischen Physikers Crookes, der 10 Jahre später die schon von Hittorf beobachteten Erscheinungen auf eine „strahlende Materie“, einen sogenannten vierten Aggregatzustand zurückführte, wurde die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf diese Erscheinungen gelenkt. Das am meisten Auffallende bei den Crookesschen Röhren ist, daß die von dem negativen Pole, der Kathode, ausgehenden Lichterscheinungen nicht den Strombahnen der Elektrizität folgen, sondern geradlinig verlaufen und Körper, die in den Strahlengang gebracht werden, zu lebhafter Fluoreszenz anregen. Doch wiederum vergingen mehrere Jahre, ehe man sich in den physikalischen Laboratorien systematisch mit diesen Vorgängen beschäftigte.

Röntgenstrahlen.

Die Schwierigkeiten, die sich der Untersuchung der Kathodenstrahlen entgegenstellten, waren in erster Linie darin begründet, daß die Strahlen nur im Inneren eines geschlossenen Rohres auftreten. Diese Schwierigkeiten überwand Lenard, dem es 1893 gelang, sie durch ein sogenanntes „Aluminiumfenster“ aus dem Rohre heraustreten zu lassen. Sie waren dadurch der direkten Untersuchung zugänglich geworden. Die Untersuchungen Lenards, die dieser aus äußeren Gründen auf einige Zeit unterbrechen mußte, wurden von Röntgen in Würzburg fortgesetzt. Dieser untersuchte mit einer Lenardschen Röhre besonders die auch in der freien Luft von den Kathodenstrahlen angeregte Fluoreszenz der Körper und entdeckte bei dieser Gelegenheit die Strahlen, die er selbst X-Strahlen nannte, und die heute, in Würdigung der Verdienste des Entdeckers, allgemein Röntgenstrahlen genannt werden. Die Röntgenstrahlen zeichnen sich vor allen anderen bisher bekannten Strahlen dadurch aus, daß sie Körper durchdringen, die für gewöhnliches Licht undurchlässig sind. Sie werden hierbei von ihrer geradlinigen Richtung nicht abgelenkt; aber sie werden von den Körpern, die in den Strahlengang gebracht werden, geschwächt und zwar im allgemeinen um so mehr, je dichter die durchstrahlten Körper sind. Daher entsteht hinter einem von Röntgenstrahlen durchstrahlten Körper ein Schattenraum, der dort am tiefsten ist, wo die dichtesten Körper die stärkste Schwächung erzeugt haben. Die Röntgenstrahlen sind mit dem Auge nicht unmittelbar sichtbar. Da sie aber auf einem mit fluoreszierenden Körpern bedeckten Schirm lebhafte Fluoreszenz erzeugen und da die Fluoreszenz dort am stärksten ist, wo die Intensität der Strahlen am größten ist, so entsteht auf dem Fluoreszenzschirm ein sichtbares Schattenbild. Die Röntgenstrahlen wirken gleich wie Kathodenstrahlen auf eine photographische Platte ein, und zwar auch durch eine geschlossene Holzkassette oder durch schwarzes Papier hindurch, die den gewöhnlichen Lichtstrahlen den Weg versperren. Bringt man daher in den

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1278. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/149&oldid=- (Version vom 20.8.2021)