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an der Vertiefung der Untersuchungen über die Zunahme, welche der Reichtum an Sternen der verschiedenen Größenklassen mit der Annäherung an die Milchstraße erfährt. Schönste Leistungen der Heidelberger Sternwarte sind in unserm Vierteljahrhundert auch von M. Wolf auf dem Gebiete der photographischen Aufnahmen von Milchstraßenflächen dargeboten worden.

Als eine besondere Kraft auf dem Gebiete der säkularen Bewegungserscheinungen in der uns umgebenden Fixsternwelt ist aber auch bei vorliegendem Anlaß zu nennen der niederländische Astronom Kapteyn.

Die Lichtveränderungen der Sterne.

An der Messung und Deutung der Lichtveränderungen der Sterne, von deren periodischem Typus vorhin in Verbindung mit den Messungen der Radialgeschwindigkeiten die Rede war, hat sich das Potsdamer Observatorium (siehe auch die oben erwähnte photometrische Durchmusterung der Himmelsfläche durch Müller und Kempf), sowie überhaupt die deutsche Astronomie eifrig beteiligt, nicht bloß photometrisch, sondern auch durch die einst von Argelander und Heis kultivierte und hauptsächlich mit freiem Auge betriebene Schätzungsmethode, für deren Verbreitung und Anwendung auch die deutsche Vereinigung von Freunden der Astronomie und kosmischen Physik, insbesondere durch Plaßmann, gewirkt hat.

Unter der großen Zahl von spektroskopisch entdeckten Sternsystemen, in denen uns die periodischen Veränderungen von Radialgeschwindigkeiten engere Bewegungen von zwei Sonnen um den gemeinsamen Schwerpunkt erweisen, hat sich weiterhin eine nicht geringe Zahl von solchen Systemen enthüllt, in denen die periodischen Lichtveränderungen des Sternpunktes, zu welchem das System für unsern Anblick zusammenfließt, nicht dem Gesetze entsprechen, das bei den veränderlichen Sternen von dem Typus Algol gefunden worden ist, daß nämlich die periodischen Minima des Leuchtens durch gegenseitige Bedeckungserscheinungen der beiden Sonnen verursacht werden. Im Gegenteil findet bei gewissen anders gearteten Lichtveränderungen die kleinste Lichtstärke in einer solchen Phase der Umlaufsbewegung statt, in welcher von gegenseitigen Bedeckungswirkungen der beiden Sonnen für unseren Anblick nicht die Rede sein kann. Auch bei diesen Untersuchungen sind die Potsdamer Astronomen lebhaft beteiligt. Es sieht fast so aus, als ob zur Erklärung der Lichtveränderungen dieser Systeme Abweichungen der Gestalt der einzelnen Sonnen von der Kugelgestalt oder Abweichungen von einer gleichmäßigen Lichtstärke ihrer Oberflächen in Verbindung mit der Umlaufsbewegung um den gemeinsamen Schwerpunkt die Erklärung bilden können.

Noch unbestimmter sind unsere Erklärungen für die in längeren Perioden sich abspielenden Lichtveränderungen von zahlreichen andern Sternen, deren Gesamtzahl jetzt schon weit mehr als tausend beträgt, unter denen sich auch eine nicht geringe Anzahl von spektroskopischen Doppelsternen befindet. Sehr bedeutsam sind auch einige neuere Messungsergebnisse der Helligkeitsveränderungen von zahlreichen Sternen in gewissen Sternhaufen.

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1272. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/143&oldid=- (Version vom 20.8.2021)