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theoretische und experimentelle Förderung dargeboten durch Hartmann’s Dispersionsformel für das prismatische Spektrum und durch seine Erfindung eines Spektrokomparators, mittels dessen die dabei erforderliche Meß- und Rechenarbeit, zumal bei zahlreichen Wiederholungen analoger Messungen, erheblich vermindert wird.

Die Sternsysteme überhaupt.

Im Anschluß an die obige Erwähnung der spektroskopischen Doppelsterne, wäre hier über die Erforschung der engeren Sternsysteme, insbesondere der Doppelsterne, vielleicht etwas näher zu berichten, doch liegen zurzeit besonders hervortretende deutsche Leistungen hier nicht vor. Zur Vervollständigung der Mitteilungen über die Radialgeschwindigkeiten der Sterne ist aber noch zu bemerken, daß aus Campbells Messungen der Radialgeschwindigkeiten von nahezu 1200 Sternen auch für die Bewegung unserer Sonne und unseres ganzen Planetensystems im Sternenraume eine von der Messung der Winkelbewegungen der Sterne unabhängige Bestimmung erlangt worden ist, auf deren Wichtigkeit ich oben bei der Erwähnung des ganzen Problems bereits hingewiesen habe. Nach Campbell ist unsere säkulare, zunächst wohl als gleichförmig anzusehende und wohl in nahezu unveränderlicher Richtung vor sich gehende Bewegung im Sternenraume zurzeit nach einer Region des Himmels gerichtet, welche etwas südlich vom Sternbilde der Leyer liegt, und zwar mit der Geschwindigkeit von nahezu zwanzig Kilometer in der Sekunde. Und dieses Ergebnis aus den Radialgeschwindigkeiten stimmt mit demjenigen, welches bisher aus den bloßen Ortsveränderungen der Sterne an der Himmelsfläche (den Winkelbewegungen) nach den oben erörterten Gesichtspunkten abgeleitet worden war, merkwürdig nahe überein. In Verbindung mit diesen letzteren Untersuchungen hat man aber entdeckt, daß am Sternhimmel doch außer den perspektivischen Wirkungen unserer eigenen säkularen Bewegung noch Gesetzmäßigkeiten der übrigen Sternbewegungen vorhanden sind, für deren Deutung man auf die zukünftige säkulare Verwertung der obenerwähnten Hunderttausende von genaueren Ortsbestimmungen der Sterne und nun gar der Millionen von Sternen hoffen muß, deren Ortsbestimmungen uns die bereits erwähnte photographische Aufnahme der ganzen Himmelsfläche darbieten wird.

Was jene aus den bisherigen Messungen bereits hervorgetretenen Systeme von übereinstimmenden Richtungen der Ortsveränderungen zahlreicher Sterne an der Himmelsfläche betrifft, so scheinen dieselben nach einigen Untersuchungen eine nähere Beziehung zur Milchstraße zu haben. Man hat neuerdings auch immer deutlicher erwiesen, daß in den sogenannten Sternhaufen, in denen Hunderte oder Tausende von Sternen enger gruppiert sind, auch übereinstimmende fortschreitende Bewegungen der einzelnen Sterne gemeinsam mit der ganzen Gruppe stattfinden, ja, es ist sogar erwiesen worden, daß auf gewissen Himmelsflächen, z.B. innerhalb des weiten Flächengebietes des Sternbildes der großen Bärin, übereinstimmende Gesetze der Ortsveränderungen bestehen, nach denen man einen gewissen inneren Zusammenhang von Bewegungsbedingungen in ganz gewaltigen Welträumen annehmen muß. An allen diesen Untersuchungen haben sich die deutschen Astronomen auch in unserm Vierteljahrhundert eindringlich beteiligt, insbesondere auch Kobold, von Seeliger und Schwarzschild, ebenso auch von Seeliger

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 3. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1271. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_3.pdf/142&oldid=- (Version vom 20.8.2021)