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Röstöfen für Blenden sind ebenfalls wesentliche Fortschritte zu verzeichnen. Die Konstruktion der Öfen und der Feuerung wurde verbessert, ebenso sind in der Herstellung der Retorten und Muffeln, sowie namentlich auch in den Kondensationsvorrichtungen für die Zinkdämpfe zum Teil Fortschritte erzielt worden. Die Zinkgewinnung belief sich im Jahre 1887 auf rund 34 500 Tonnen, bis 1912 war sie auf 271 064 Tonnen angewachsen und steht damit an zweiter Stelle unter den Kulturstaaten. Der Anteil an der Weltproduktion, der im Jahre 1887 noch 44% betrug, ist jedoch auf 27% im Jahre 1912 gesunken.

Blei.

Die am Ausgange des 19. Jahrhunderts bestehenden Bleigewinnungsprozesse haben im Laufe der beiden letzten Jahrzehnte einschneidende Verbesserungen erfahren, und zwar in erster Linie durch eine wesentliche Vereinfachung des Röstverfahrens. Gerade das Rösten des leicht schmelzbaren Bleiglanzes und seiner ebenso leicht schmelzbaren Oxydationsprodukte machte diesen Teil der Bleierzverhüttung zu der mühsamsten und wegen der Giftigkeit des bleiischen Staubes und Rauches zu der gesundheitsschädlichsten Arbeit der wichtigsten Hüttenbetriebe. Wenn man nun schon in einzelnen Bleihütten, wie z. B. in Lautenthal, ein die Vorröstung des Bleiglanzes vermeidendes Schmelzverfahren, die sog. Niederschlagsarbeit, mit Erfolg eingeführt hatte, so haben die beiden Hütteningenieure Huntington und Heberlein (letzterer jetzt Mitglied des Direktoriums der Metallurgischen Gesellschaft in Frankfurt) das Bleihüttenwesen endgültig von dieser todbringenden Arbeit befreit. Dieses Verfahren und seine durch Savelsberg, Carmichael und Bradford ausgearbeiteten Modifikationen haben die schwierige Röstarbeit in einem einfachen, durch eingeblasenen Wind beschleunigten und fast ohne menschliche Handarbeit automatisch verlaufenden Verbrennungsprozeß umgewandelt, welcher die Leistungsfähigkeit der Bleihütten vergrößerte, den Raumbedarf der Rösthütten verringerte und die unmittelbare Verarbeitung der Röstgase auf Schwefelsäure ermöglichte. Das Röstprodukt ist porös und doch fest genug, um ohne Schwierigkeit in Schachtöfen reduzierend verschmolzen werden zu können. Fast alle gutgeleiteten Bleihütten Deutschlands sind zu diesem Röstverfahren und damit zu der sog. Röstreduktionsarbeit übergegangen. Auch beim Bau der Schachtöfen für das Reduktionsschmelzen ist man zuerst in Freiberg (Pilz) dazu übergegangen, die der zerstörenden Wirkung der Schmelzprodukte am meisten ausgesetzten Teile der Schachtmauern durch doppelwandige, mit Wasser kühlbare Eisenblechkörper „Wassermäntel“ zu ersetzen, deren Höhe man in der Neuzeit auf etwa ein Drittel des ganzen Ofenschachtes ausgedehnt hat.

Die Verbesserungen im Röstbetriebe haben auch die Lösung der Rauchschadenfrage der Bleihüttenwerke wesentlich erleichtert. Wo nicht der Boden der Umgebung seit Jahrhunderten vergiftet ist, wird man in Zukunft auch in der Umgebung der Bleihütten wieder Vegetation aufkommen sehen. Was aber am wichtigsten ist, die furchtbare Bleikrankheit, unter der die Hüttenarbeiter so lange und schwer gelitten haben, ist erheblich zurückgegangen und wird auch weiter mit Erfolg bekämpft durch die tatkräftigen Bestrebungen W. Mertons (Frankfurt) zur Verbesserung des Gesundheitszustandes der Hüttenarbeiter.

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 533. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/96&oldid=- (Version vom 20.8.2021)