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Birnen erforderlich waren, wurde die kreisförmige Anordnung der Konverter verlassen und dieselben seit etwa 15 Jahren in einer Achse aufgestellt. Hierbei wird der Stahl mittels Gießwagen den neben den Gießgleisen befindlichen Gießgruben zugeführt. Die Bewegung der Birne geschieht wie früher durch Hydraulik, während die Gießwagen bis vor wenigen Jahren durch Dampf fortbewegt, dagegen das Heben, Senken und Schwenken der Pfanne durch Wasserdruck betätigt wurde. Neuerdings hat auch hier die Elektrizität den Dampf verdrängt; die Pfannenmanipulation wird dagegen immer noch durch eine elektrisch angetriebene Hochdruckpumpe vermittelt. Auf einigen Werken wird das Roheisen vom Mischer zum Konverter mittels elektrisch betriebener Krane besorgt. Auch das Gießen des Stahles geschieht in vereinzelten Fällen durch diese Vorrichtung. Die Kokillen werden zum Teil fahrbar auf Wagen angeordnet, wodurch man nach dem Gusse sofort wieder Raum für die nächste Charge bekommt. Das Blockabstreifen, Kokillenversetzen und das Einsetzen der Blöcke in die Tieföfen geschieht nur noch mittels entsprechend ausgestalteter, elektrisch betriebener Hebe- und Transportvorrichtungen.

Die Gestalt der Birne hat sich wenig verändert, nur wurden deren Dimensionen beträchtlich gesteigert. Während man im Jahre 1887 allgemein Birnen mit 10 Tonnen Inhalt in Anwendung hatte, vergrößerte man dieselben derart, daß heute das Fassungsvermögen meist zwischen 20 und 25 Tonnen schwankt. In zwei Werken ist man bereits auf einen Birneninhalt von 30 Tonnen angelangt. Man vergrößerte namentlich den Durchmesser der Birnen, so daß die Badtiefe, welche früher 700 mm und noch mehr betrug, sich auf etwa 500 mm erniedrigte, wodurch der Verlust durch Auswurf wesentlich verringert und der Kraftverbrauch des Gebläses heruntergedrückt wird.

Die Birnenböden werden allgemein durch die von B. Versen erfundene Stampfmaschine maschinell gestampft, wodurch ihre Haltbarkeit wesentlich gesteigert wird. Die Schwierigkeiten, welche sich bei dem Brennen der Böden der großen Birnen zeigte, ist durch das Verfahren von Vogel in Dillingen überwunden. Zum Hinterstampfen der Birne und Ausstampfen der Stahlpfanne werden Preßluftstampfer verwendet, welche Maßnahme ebenfalls von günstigem Einfluß auf die Haltbarkeit dieser Gefäße ist. Das Ferromangan, das zum Desoxydieren und Rückkohlen erforderlich ist, wird heute häufig in flüssigem Zustande verwendet. Dadurch wird die Desoxydation eine vollständigere und die Qualität des erzeugten Materials eine bessere. Als Schmelzapparate werden elektrische Öfen und Flammöfen mit Ölfeuerung benutzt. Die Produktion an Thomasmaterial ist in den letzten 25 Jahren um das Achtfache gestiegen, sie belief sich im Jahre 1912 auf 9,78 Millionen Tonnen.

Darstellung des Flußeisens im Martinofen.

In diesem Zweige des Eisenhüttenwesens sind sowohl in der Ausbildung der Gaserzeuger und der Ofenkonstruktion, als auch namentlich in der Durchführung des Prozesses wesentliche Fortschritte gemacht worden.

Im Jahre 1888 benützte man beinahe ausschließlich den von Siemens konstruierten Gaserzeuger, der teils mit natürlichem Essenzug, teils mit Unterwind betrieben wurde. In den letzten 15 Jahren ist eine große Zahl von Gaserzeugerbauarten aufgekommen,

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 530. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/93&oldid=- (Version vom 20.8.2021)