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Zur Verbesserung der Waschprodukte wird seit den 90er Jahren auch mit Erfolg die Windaufbereitung der Feinkohle angewendet. Neuerdings nimmt man bereits beim Entleeren der Förderungen in den Wippern eine Entstaubung der Förderkohle vor, um einerseits hygienische Forderungen zu erfüllen und andererseits der Aufbereitung den lästigen und schwer zu verarbeitenden Staub fernzuhalten.

Durch diese rechtzeitige Absaugung des Staubes wird die Schlammbildung in den Waschwässern verringert, deren Reinigung erleichtert und die Leistungsfähigkeit der Wäsche nicht unbedeutend erhöht. Derartige Entstaubungsanlagen werfen außer den eben erwähnten Vorteilen noch durch den Verkauf der Feinkohle an Gießereien oder durch ihre Verwendung als Zusatz zur Koks- oder Brikettkohle erhebliche Gewinne ab, erhöhen so die Rente der Zeche und verlängern zugleich die Lebensdauer der deutschen Steinkohlenvorräte nicht unerheblich.

Die Brikettierung gehört ebenfalls zur Aufbereitung, die sich für den Bergmann auf die Brikettierung der Stein- und Braunkohle beschränkt, während die Brikettierung der Erze dem Hüttenmanne zufällt. Allbekannt ist, daß die Rohbraunkohle infolge ihres hohen Wassergehalts und ihrer chemischen Zusammensetzung nur den sehr geringen Heizwert von 2300–2500 Wärmeeinheiten besitzt, so daß sie nicht auf größere Entfernungen hin versandt werden kann. Aus diesem Grunde wird sie zu Briketts zusammengepreßt, deren Heizwert 4500–5000 beträgt und demjenigen der Steinkohle nahekommt. Wenn auch die Brikettierung selbst schon älteren Datums ist, so sind doch in den letzten 25 Jahren auch auf diesem Gebiete nennenswerte Fortschritte zu verzeichnen. Durch Erhöhung der Dampfspannung und die Ausnutzung des Kraftdampfes zu Trockenzwecken, durch die Erfindung des Schulzschen Röhren-Trocken-Apparats und die im Jahre 1900 erfolgte Einführung von Wendeleisten in den Rohren zur Trocknung der Braunkohle, durch welche die Wasserverdampfung von 60 kg auf den Quadratmeter Heizfläche in 24 Stunden auf 100 kg gesteigert wurde, sind wesentliche Ersparnisse bei der Fabrikation erzielt worden. Die Brikettpressen selbst wurden wesentlich vervollkommnet und leistungsfähiger gemacht, so daß man jetzt mit einer Presse täglich über 70 Tonnen Briketts herzustellen vermag. Erst diese Verbesserungen im Vereine mit der maschinellen Gewinnung der Braunkohle, die bereits früher erwähnt wurde, ermöglichte den gewaltigen Aufschwung, den die deutsche Braunkohlenindustrie in den letzten 25 Jahren genommen hat. Neben der Brikettierung der Braunkohle findet auch eine solche von Steinkohlen statt, und zwar wird hierzu feine Magerkohle verwendet, die, da sie nicht verkokbar und sehr schwer zu verfeuern ist, lange Zeit für vollständig wertlos galt und auf die Halde geworfen wurde. Durch Mischen dieser Feinkohle mit Pech und durch Pressen der erwärmten Massen zu Briketts erhält man aus dem sonst vollständig wertlosen Staube einen hochwertigen Brennstoff, der sich infolge seiner Wetterbeständigkeit und langen Haltbarkeit einer großen Wertschätzung erfreut und in den letzten Jahren, vor allem im Eisenbahnbetriebe, schnell Eingang gefunden hat.

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 523. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/86&oldid=- (Version vom 20.8.2021)