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In allerletzter Zeit hat die Dampffördermaschine den Kampf mit der elektrischen Fördermaschine wieder aufgenommen, und es ist den Bemühungen der Maschinenfabrikanten gelungen, durch verbesserte Bauarten den Dampfverbrauch der neuen Zwillingstandemmaschinen auf 11–12 kg für die Schacht-PS-Stunde herabzudrücken und durch den Einbau eines Stauschiebers die Beschleunigung beim Anfahren erheblich heraufzusetzen, wodurch kürzere Fahrzeit erzielt wird. Die Elektrizität versucht wiederum ihrerseits die Nachteile des Ilgner-Leonhard-Systems, das eine Umwandlung von Drehstrom in Gleichstrom erfordert, durch die Anwendung von Kollektormotoren für direkten Drehstromantrieb zu umgehen. Der Wettkampf zwischen beiden Maschinenarten ist noch in vollem Gange und hat bei erhöhter Sicherheit gegenüber den älteren Fördermaschinen eine erhebliche Steigerung der Leistungsfähigkeit mit sich gebracht, so daß man jetzt die Fördergeschwindigkeiten bis auf 20 m in der Sekunde und die mit einem Zuge zu hebende Nutzlast bis auf 17 000 kg erhöhen kann.

Durch automatische Aufschiebebühnen und verbesserte optische und akustische Signaleinrichtungen ist es gelungen, die Abfertigungszeit zwischen den einzelnen Zügen erheblich herabzusetzen, so daß heutzutage schon Förderleistungen von 2000 Tonnen Nutzlast in der achtstündigen Schicht mit einem Schachte erreicht werden.

Auch die Abbau- und Streckenförderung hat in den letzten 25 Jahren bedeutende Fortschritte gemacht. Die Notwendigkeit, die teueren Schächte möglichst lange auszunutzen, zwingt besonders den Steinkohlenbergmann dazu, jedem Förderschachte ein sehr großes Grubenfeld zuzuteilen, wodurch die unterirdischen Förderstrecken an Länge immer mehr zunehmen. Bei diesen großen Entfernungen ist eine Förderung durch Menschen oder Pferde zu teuer und zu wenig leistungsfähig, denn ein Schlepper vermag nur 3–4 tkm ein Pferd 16–55 tkm in der Schicht zu leisten, wobei die Kosten für die Schlepperförderung 0,60–1,10 Mk./tkm, bei Pferdeförderung 0,13–0,35 Mk./tkm betragen. Deshalb hat man schon seit längerer Zeit in den Hauptförderstrecken Förderanlagen mit endlosem Seil oder mit endloser Kette eingerichtet, die außerordentlich leistungsfähig und zuverlässig sind und die Förderkosten für den tkm auf 2–6 Pfg. herabsetzen. Da diese Förderanlagen indes nur mit geringen Geschwindigkeiten (1–2 m/Sek.) arbeiten können, und da sie sich speziell für gerade lange Strecken ohne Krümmungen und Abzweigungen eignen, hat sich in den letzten 15 Jahren auch die Lokomotivförderung eingebürgert, die sich den wechselnden Verhältnissen einer Grube besser anzupassen und so hohe Geschwindigkeit zu erzielen vermag, daß sie auch zum Transporte der Arbeiter benutzt werden kann, wodurch eine erhebliche Erhöhung der Arbeitsleistung erzielt wird. Nach den ersten, freilich mißglückten Versuchen mit Preßluftlokomotiven führte sich die elektrische Lokomotive, vor allem im sächsischen und oberschlesischen Steinkohlenbergbau, ein, dann folgte die Spiritus-[WS 1], die Benzin- und die Benzollokomotive und im Jahre 1908 eine neue Konstruktion der Preßluftlokomotive, die durch Anwendung hoher Drucke (100–120 Atm.) und Verbundmotoren Leistungen bis zu 50 PS aufzuweisen hatte, während die Stärken der Brennstofflokomotiven zwischen 8 und 12 PS schwanken. Der elektrische Antrieb hat auch hier wieder einen erheblichen Vorsprung dadurch, daß er viel größere Krafteinheiten auf dem zur Verfügung stehenden engen Raume zur Wirkung zu bringen vermag (bis zu

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Spitirus-
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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 516. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/79&oldid=- (Version vom 20.8.2021)