Seite:Deutschland unter Kaiser Wilhelm II Band 2.pdf/78

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


Förderung.

Während Belgien bereits 22 Schächte von über 1000 m Teufe besitzt, gibt es in Deutschland deren erst 4, aber in kurzem werden auch hier sich die Verhältnisse ungünstiger gestalten müssen. Die Kosten derartiger tiefen Schächte sind natürlich sehr bedeutend und zugleich erhöhen sich auch die Kosten für die Hebung der Bergwerkserzeugnisse, weshalb man diese Förderkosten durch möglichst gute Ausnutzung der Schächte und Ersparnisse an Kraftverbrauch zu verringern trachtet. Bei der Schachtförderung sucht man eine möglichste Verbilligung der Förderkosten dadurch zu erzielen, daß man jeden einzelnen Schacht durch Zuerteilung einer hohen Förderung nach Möglichkeit voll ausnützt. Dadurch, daß man den Durchmesser der Schächte bis auf 6 m vergrößert, gelingt es, in jedem Schachte zwei selbständige Fördereinrichtungen unterzubringen und mit einer solchen Doppelschachtanlage die Förderung zu verdoppeln. Zugleich sucht man aber auch durch Erhöhung der Fördergeschwindigkeit und Vergrößerung der mit einem Zuge zu hebenden Last die Leistungsfähigkeit der Schächte weiterzusteigern, was natürlich erhebliche Kraftmengen erfordert, so daß bei einer modernen Steinkohlenzeche der Kraftbedarf für die Fördermaschinen 30–40% des Energieverbrauches der gesamten Bergwerksmaschinen beträgt.

Der Dampfverbrauch der alten Fördermaschine war noch vor wenigen Jahren sehr hoch, er betrug bei Zwillingsmaschinen 40 kg, bei Verbundmaschinen 25–30 kg für die Schacht-PS-Stunde und ließ sich durch Verwertung des Abdampfes in Niederdruck-und Zweidruckturbinen bis auf 15–20 kg herabmindern. Ein weiterer Nachteil der Dampffördermaschinen liegt darin, daß bei den großen zu beschleunigenden Massen ihre Regulierung nur sehr schwierig war und infolgedessen leicht ein Übertreiben der Förderkörbe stattfand, was zu erheblichen Betriebsstörungen und schweren Unfällen Veranlassung gab. Zwar versuchte man durch sogenannte Sicherheitsapparate eine genaue Regulierung der Geschwindigkeit bei der Seilfahrt zu erzielen, was trotz vorzüglicher Durchbildung dieser Apparate freilich nur teilweise gelang, weshalb man dann zur Erhöhung der Sicherheit und zwecks Kraftersparnis zum elektrischen Antriebe überging.

Nach langjährigen Versuchen war endlich in der elektrischen Gleichstromfördermaschine nach der Bauart Ilgner mit Leonhardschaltung vor etwa 10 Jahren eine Fördermaschine entstanden, die bei nicht allzu hohem Kraftbedarf eine genaue Regulierung der Fördergeschwindigkeit gewährleistete, well die Drehzahl des Gleichstrommotors und damit die Fördergeschwindigkeit so gut wie unabhängig von der Belastung ist. Durch die Spindel des Teufenzeigers wird die jeweils erforderliche Geschwindigkeit selbsttätig und genau eingestellt und die Führung der Maschine von der Tätigkeit des Maschinisten unabhängig gemacht, so daß eine unbedingte Sicherheit gegen Übertreiben vorhanden ist. Eine schnelle Verbreitung fand die elektrische Fördermaschine durch die Erfindung der Koepescheibe, die eine erhebliche Verringerung der bewegten Massen mit sich brachte und gestattet, die Fördermaschine unter Fortlassung der Seilscheiben und des Seilscheibengerüstes auf einen aus Mauerwerk, Eisen oder Eisenbeton gebauten Förderturm unmittelbar über den Schacht zu setzen und so eine erhebliche Verbilligung der Anlage- und Energiekosten zu erzielen.

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 515. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/78&oldid=- (Version vom 31.7.2018)