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ist. Das Gesetz regelt die Schulaufsicht neu unter Beseitigung der bisherigen Stellung des Ortsschulaufsehers. Die mittlere (Bezirks-)Instanz wird fachmännisch gestaltet. Die Besoldungsverhältnisse der Volksschullehrer sind durch mehrere rasch aufeinander folgende Gesetze (zuletzt 1911) geregelt. Die Naturalbesoldung ist grundsätzlich beseitigt. Der Mesnerdienst ist vom Lehrerdienst schrittweise getrennt worden. Die Gemeinden zahlen zum Lehrergehalt bestimmte Beiträge; den Rest bringt der Staat auf. Die Gehaltszahlung erfolgt in allen kleineren Gemeinden durch die Staatskasse. Ebenso ist die Versorgung der Hinterbliebenen durch Auflösung der besonderen Witwenkassen der Volksschullehrer und Angleichung der Verhältnisse der Lehrerwitwen an die der Beamtenwitwen beständig verbessert worden. Den die Rechtsverhältnisse der Volksschullehrer ordnenden Gesetzen von 1907 folgte ein neues von 1912, durch welches die Bestimmungen des Beamtengesetzes auf die Lehrer und Lehrerinnen an den Volksschulen übertragen werden, soweit nicht im neuen Gesetze Abweichendes bestimmt ist. Und diese Abweichungen sind auf das notwendigste beschränkt. Das Volksschulgesetz ist ausgestaltet durch eine Reihe ausgezeichneter ministerieller Ausführungserlasse (1910). Der innere Unterrichtsbetrieb ist durch eine neue Ausgabe des seit 1870 bestehenden vortrefflichen Normallehrplanes (1907) und durch die Umgestaltung der Lehrerbildung, darunter eine Ordnung der höheren Prüfung für den Volksschuldienst (1910), den neuzeitlichen Anforderungen angepaßt.

Baden.

Das Badische Volksschulgesetz von 1835 ist regelmäßig den Anforderungen der Zeit entsprechenden, vollständigen Neubearbeitungen unterworfen worden, so 1892, 1906 und zuletzt 1910. Die Gehaltsverbesserung der Lehrer bildete 1910 den Anlaß. Der Grundzug des Badischen Volksschulwesens ist geblieben: Simultanschulen unter Verwaltung der politischen Gemeinde und unter Aufsicht des Staates, bei Ausschaltung des kirchlichen Einflusses, dem dagegen der Religionsunterricht ganz überlassen ist. Bemerkenswert ist die Ausgestaltung der schon früher in Baden besonders gepflegten Volksschule mit erweiterten Unterrichtszielen. Es können besondere Schulabteilungen mit fremdsprachlichem Unterricht, die auch über das schulpflichtige Alter hinausführen, errichtet werden (Bürgerschulen). Die Volksschulausgaben werden aus der Staatskasse bestritten, wogegen die Gemeinden verpflichtet sind, an diese bestimmte Beiträge für die einzelnen Schulstellen und für den Kopf des Lehrers zu zahlen. Die Städte, welche der Städteordnung unterstehen, bestreiten jedoch ihre Volksschulausgaben allein. Die Rechtsverhältnisse der Volksschullehrer sind trefflich geordnet, ebenso der an anderen Anstalten als Volksschulen angestellten Volksschullehrer. Die Besoldungen sind erheblich verbessert (1910). Baden hat wohl allein unter den größeren deutschen Staaten eine moderne Regelung des Privatschulwesens durchgesetzt (1910). Bemerkenswert ist die Errichtung eines technischen Beirats des Unterrichtsministers, des Landesschulrats (1911).

In Hessen gilt das allgemeine Volksschulgesetz von 1874. Die Gehaltsverhältnisse und die Hinterbliebenenversorgung sind in neuerer Zeit (1905, 1907, 1912) neu geregelt. Die Schulunterhaltung liegt der politischen Gemeinde ob, der Staat leistet Zuschüsse; so trägt er die Dienstalterszulagen und ergänzt dem Schullehrerpensionsfonds und der Witwen- und Waisenkasse die regelmäßigen Einnahmen durch Deckung des Fehlbetrages.

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1123. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/686&oldid=- (Version vom 31.7.2018)