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Städten zustanden, erhalten geblieben sind. Der überwiegende Einfluß der Kirchturmsinteressen bei der Wahl wird schon jetzt in den Lehrerkreisen, namentlich auf dem Lande, als ein Nachteil für Schule und Lehrerschaft empfunden.

Laufbahn.

Der Zeit Kaiser Wilhelms II. gehören die ersten Schritte der preußischen Unterrichtsverwaltung zur Schaffung einer Laufbahn für die Volksschullehrer an. Bis 1889 hatte der in den Dienst eintretende junge Volksschullehrer, sofern er nicht etwa die Begabung zum Seminarlehrer besaß, keine Aussicht, jemals eine nach Gehalt und Rang höhere Stellung zu bekleiden, als die, welche er als Jüngling einnahm. Es gab nur ganz wenige Rektor- und Schulinspektorstellen in den größeren Städten, die Volksschullehrern zugänglich waren. Da griff der Kultusminister 1889 ein, indem er anknüpfend an die Tradition der Schuldeputationsordnung von 1811 bestimmte, daß an die Spitze jedes größeren Schulsystems ein Rektor treten und die Schulleitung bei Schulen mit mehr als zwei Lehrern einem Hauptlehrer übertragen werden solle. Die Stellung der Schulleiter wurde in den folgenden Jahren weiter ausgestaltet und die Lehrerbesoldungsgesetze von 1897 und 1909 brachten ihr gesetzlich bestimmte Amtszulagen. Es gibt jetzt über 9000 Schulleiterstellen; von diesen sind allein in den letzten zehn Jahren 3000 neu geschaffen worden. Damit ist der Volksschullehrerschaft eine Laufbahn eröffnet. Auch der Aufstieg zu den höheren Stellungen der Kreisschulinspektoren, der Seminardirektoren und Schulräte ist ausgezeichneten Volksschullehrern, meist auf dem Wege über die Seminarlehrerstellung, stets offen gewesen und viele treffliche Männer in diesen höheren Stellungen sind aus dem Volksschullehrerstande hervorgegangen. Die rechtliche Stellung des Volksschullehrers entbehrt noch der befriedigenden Regelung. Er wird als mittelbarer Staatsbeamter betrachtet und entbehrt mancher Vorzüge, die der unmittelbare Staatsbeamte genießt, z. B. hinsichtlich der Haftbarkeit des Staates bei Amtspflichtverletzungen. Dagegen sind ihm einige Sonderrechte zugestanden, die die neuere Gesetzgebung aber mehr und mehr, so beim Gemeindesteuerprivileg, beseitigt. Der Volksschullehrerstand erstrebt selbst die Beseitigung aller Minderrechte und aller Vorrechte. Mit der übrigen Beamtenschaft erstrebt er eine Reform des veralteten Disziplinargesetzes von 1852.

Militärdienst.

Der Volksschullehrerstand verdankt Kaiser Wilhelm II. die bedeutendste Förderung seiner gesellschaftlichen Stellung durch die Abänderung seiner Militärdienstverhältnisse. Der Kaiser hatte wohl erkannt, welcher Verlust dem Heere dadurch zugefügt wurde, daß die Volksschullehrer nur zu einer zehnwöchigen aktiven Dienstzeit und zwei noch kürzeren Übungen herangezogen wurden. Schon 1895 ordnete er an, daß ihre Einübung mit der Waffe auf einen vollen Jahreskurs ausgedehnt werden solle, damit die Heranbildung der Volksschullehrer zu brauchbaren Unteroffizieren erfolge. 1900 ist dann die einjährige aktive Dienstzeit der Volksschullehrer zur Einführung gelangt. 1896 waren die staatlichen Lehrerseminare als Lehranstalten anerkannt worden, welche für die im Seminar vorgebildeten Lehramtskandidaten gültige Zeugnisse über die wissenschaftliche

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/682&oldid=- (Version vom 31.7.2018)