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und seitdem er das staatliche Baudrittel den kleineren Schulverbänden gewährt (1906), werden auch viele Umbauten vorgenommen. Die doppelseitige Beleuchtung wird beseitigt, die Fenster werden erhöht. Es wird für besondere Eingänge zu den Schulzimmern gesorgt, für Absperrung der Lehrerdienstwohnungen, damit die Ausbreitung einer in der Lehrerfamilie ausgebrochenen ansteckenden Krankheit auf die Schulkinder verhütet werden kann. Dabei werden besondere Vorflure eingerichtet zu Kleiderablagen, während früher durch die Kleideraufhängung im Schulzimmer die Luft verdorben wurde. Es werden Lüftungsschächte und Scheiben angebracht, in den Schulküchen wird der Rauch unterirdisch abgeleitet. Die Öfen sind verbessert. Die alten, giftige Gase ausströmenden Kanonenöfen sind verschwunden; dafür sind Füllöfen und mannigfache Heizsysteme eingetreten. Die Aborte werden zweckmäßig angelegt, ja es ist neuerdings gelungen, sie in den Schulgebäuden selbst geruchlos unterzubringen, wodurch den Kindern der Weg über den zugigen und nassen Schulhof gespart wird. Dazu kommt die ästhetische Seite. Die Schulhäuser sind heute meist Zierden des Ortes. Die Dorfbewohner haben angefangen, an schönen Schulhäusern Geschmack zu gewinnen. In den Städten werden geradezu Schulpaläste, mit künstlerischer Außen-und Innenausstattung, gebaut. Die Schulbankfrage beschäftigt die Schulvorstände und die Schulbehörden. Man ist darauf bedacht, die Bank der Körpergröße und Haltung der Kinder, wie den Unterrichtszweigen anzupassen. Und die Schulhäuser werden instandgehalten. Es ist noch nicht viele Jahre her, daß die Schulkinder in zahllosen Dörfern die Schulzimmer abwechselnd selbst reinigen mußten, was meist recht unvollkommen und nur wöchentlich ein- oder zweimal geschah. Das unbequeme Drängen der Bezirksregierungen auf tägliche Reinigung, auf feuchtes Aufwischen, auf Heranziehung der erwachsenen Personen hat seitens des Ministers Unterstützung gefunden durch die Anweisung zur Verhütung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten durch die Schulen (1907). Die Anordnungen des Ministers über die Pflege des Turnunterrichts haben die Regierungen getrieben, überall für Turn- und Spielplätze zu sorgen, an denen es für Volksschulen noch sehr fehlte, weil die Gemeinden von ihrer Notwendigkeit schwer zu überzeugen waren. Dabei ist der Osten besser daran als der Westen, weil das Turnen im Osten dank den Jahnschen Anregungen länger zu Hause ist, als im Westen. Auch ist dort der Grund und Boden nicht so teuer, wie in den westlichen Gegenden höchster landwirtschaftlicher Kultur. Aber erst mit der Herstellung von Turnhallen ist der ununterbrochene Betrieb des Turnunterrichts gesichert. Denn trotz aller Wünsche, daß der Turnunterricht hauptsächlich im Freien erteilt werden soll, ist das nach den klimatischen Verhältnissen vieler Landstriche gar nicht durchführbar. Wenn sich die Kinder auch der rauheren Witterung aussetzen dürften, so geht es doch wegen der Lungen und Stimmen der Lehrer und Lehrerinnen häufig nicht an. Für das Knabenturnen in Schulen ohne Turnhalle ist in glänzender Weise gesorgt durch eine von der Landesturnanstalt verfaßte Anleitung (1909). Für die ein Bedürfnis bleibende Einrichtung von Turnhallen ist keine Verfügung wirksamer gewesen, als die über die Einrichtung der dritten wöchentlichen Turnstunde (1910). Hunderte von neuen Turnhallen sind für die Volksschulen hergestellt worden; das hat namentlich der großstädtischen Jugend zum Segen gereicht.

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/673&oldid=- (Version vom 31.7.2018)