Seite:Deutschland unter Kaiser Wilhelm II Band 2.pdf/627

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Die technischen Hochschulen
Von Geh. Hofrat Prof. Dr. Helm, Dresden


Entwicklungsgang.

Die letztverflossenen 25 Jahre müssen Deutschlands technischen Hochschulen wie eine Zeit der Erfüllung erscheinen, eine Zeit der Erfüllung jenes Strebens, das all die großen Techniker und Lehrer im Innersten bewegte, deren Wirken an der Schwelle deutscher wissenschaftlicher Technik steht – die Weisbach, Redtenbacher, Grashof, Reuleaux, Schlömilch, Zeuner mit ihren vielen Arbeits- und Sinnesgenossen, wie sie von dem nun bereits alternden Geschlecht deutscher Ingenieure als die Bahnbrecher alles tieferen technischen Denkens in Deutschland gefeiert worden sind. Und dieser Aufschwung der technischen Hochschulen hat eine erhöhte Bedeutung über die Kreise der Technik hinaus, eine hochzielende Bedeutung für die deutsche Kultur, denn es ist eine Sache deutscher Bildung, die in ihm zum Austrag gelangt ist.

Im 8. und 9. Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts hatten sich die deutschen polytechnischen Schulen und Polytechniken über ihren früheren Standpunkt gewerblicher Fachschulen hinausgehoben. Seit den Anfängen des deutschen Eisenbahnwesens hatten sie bereits die Aufgabe übernommen, für die technischen Staatsprüfungen vorzubereiten; daraus schon mußte sich ihr Bestreben entwickeln, von ihren Studierenden eine Vorbildung zu fordern, wie sie von den Beamten entsprechender höherer Dienstzweige verlangt wurde, und demgemäß sich mit ihren Bildungsmitteln und ihrer Organisation als gleichberechtigt neben die Universitäten zu stellen. Seit etwa 1870 haben sich die bis dahin unter mannigfach schwankenden Einflüssen stehenden, zwischen allgemeiner realistischer Bildungsanstalt und gewerblicher Fachschule hin und her strebenden polytechnischen Schulen enger aneinander geschlossen und in gemeinsamen Tagungen ihrer Vertreter ihre historischen Rückstände gegenseitig ausgeglichen. Beim Beginn der Regierungszeit Kaiser Wilhelms II. ist in dieser Hinsicht alles Wesentliche erreicht.

In Aachen, Berlin, Braunschweig, Darmstadt, Dresden, Hannover, Karlsruhe, München und Stuttgart bestehen um 1890 bereits in allen Hauptzügen gleich organisierte Hochschulen mit Lehr- und Lernfreiheit, wie freier Rektorwahl, die grundsätzlich von ihren Vollstudierenden Gymnasialreife verlangen, die in mehrere den Fakultäten der Universitäten nachgebildete Abteilungen für Hochbau, Ingenieurbau, Maschinenbau und Chemie, teilweise auch für Bergwesen, Land- und Forstwirtschaft, Pharmazie und Lehramt gegliedert sind, über den Erfolg der Studien Diplome erteilen und zu den technischen Staatsprüfungen vorbereiten. Die Diplomprüfungen

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1064. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/627&oldid=- (Version vom 9.3.2019)