Seite:Deutschland unter Kaiser Wilhelm II Band 2.pdf/588

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

gelassen, ist allgemein zugestanden. Kein Katholik hätte sodann über die kirchenpolitische Kurzsichtigkeit, ja über die „Erbärmlichkeit der Herren von Hardenberg und Altenstein“ sowie über Schmeddings unsicheres „Schwanken zwischen Rationalismus und Kurialismus“ vernichtender urteilen können, als der protestantische Frhr. v. Stein. Dieser hochsinnige Patriot stellte noch 1830 dem Prinzen Wilhelm, damaligem Generalgouverneur der Rheinlande und späterem Kaiser, in einer Audienz vor: der Geist der Rheinländer werde erbittert und verstimmt durch die Mißgriffe und Nachlässigkeiten des Ministeriums des Kultus, das die wichtigsten geistlichen Angelegenheiten unentschieden liegen lasse, dann dadurch, daß es den Verdacht eines dem Katholizismus feindseligen Geistes errege, indem kein katholisches Mitglied im Koblenzer Schulrat sei usw. Nicht lange vorher hatte er geschrieben, Altensteins Verbleiben im Ministerium habe „die nachteiligste Folge für religiöse und geistige Bildung des Volkes“. „Wie vermag ein so unklarer, einseitig gebildeter Kopf kirchliche und pädagogische Anstalten bilden, lenken?“ Und gerade dieses Ministerium hatte sich zugetraut, alles allein machen zu können. Zu den wichtigsten Beratungen über kirchliche Fragen hatte man keinen einzigen Bischof zugezogen. Selbst der ultramontaner Tendenzen wohl nicht verdächtige, der Regierung aufrichtig ergebene Erzbischof Spiegel blieb von allen die Schicksale der preußischen Katholiken behandelnden Konferenzen ausgeschlossen, worüber er sich bitter beklagte. „Das protestantische Gouvernement“, schreibt er an seinen Bruder, „ist mehr wie jemals antikatholisiert und – quis crediderit? – in eine evangelische Propaganda ausgeartet, daher die unbegrenzte Forderung der verderblichen gemischten Ehen und das Übergreifen vom ius circa sacra in die eigentlichen sacra, wo ich dann natürlich in Opposition trete und mich herumbalge.“ „Die Bischöfe haben eine mißliche Stellung unter protestantischem Szepter und protestantisch intolerantem Ministerium.“ Dem Bruder klagte Spiegel auch, „daß Intoleranz, ich möchte wohl sagen Groll gegen alles Katholische die Verwaltungsbehörden, aus Protestanten zusammengesetzt, in den Rheinlanden bestimmt“. Erst als der Karren in der Mischehenfrage gründlich verfahren war, wurde des Erzbischofs Hilfe angerufen und er bis aufs Blut gequält, bis er die Konvention einging, um deren willen von katholischer Seite soviel Schmach auf seinen Namen gehäuft ward. Die selbstgenügsame Klugheit Altensteins führte schließlich zu dem „Siege“ vom 20. November 1837, der Verhaftung Clemens Augusts von Droste, mit welcher die Niederlage der preußischen Regierung besiegelt und eine katholische Reaktion mit Gewalt heraufbeschworen wurde. Über die katholische Abteilung im Kultusministerium, die von Friedrich Wilhelm IV. zur Verhinderung solcher Mißgriffe errichtet wurde, ist von akatholischer Seite sehr ungünstig geurteilt worden, am ungünstigsten zu Beginn der siebziger Jahre, als es galt ihre Aufhebung zu rechtfertigen. Aber ein Kenner der Personen und Verhältnisse, der Spektator der einstmaligen Allgemeinen Zeitung, dessen Regierungsfreundlichkeit durch die bittere Befehdung seitens extrem katholischer Kreise genügend erwiesen ist, hat wohl nicht unzutreffend gemeint: wenn einzelne Mitglieder jener Abteilung Fehler begingen, so seien diese Fehler verschwindend gering gewesen gegenüber denjenigen, die protestantische Kultusminister vor und nach 1841 begangen haben, und an den Hauptfehlern trage die Schuld nicht die Einrichtung als

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 1025. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/588&oldid=- (Version vom 14.2.2021)