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größten Zahl, nämlich 21 Firmen. Die Zahl der Stellen, an denen man sich mit dem Bau von Schiffsölmotoren beschäftigt, zeigt am besten die große Bedeutung derselben für die Schiffahrt, die von der neuen Antriebsart gegenüber den Dampfmaschinenanlagen folgende Vorteile zu erwarten hat: 1. Fortfall der Kesselanlagen; 2. Fortfall der Heizer; 3. Ersparnis an Zeit, da der Brennstoff einfach, sauber und schnell übergenommen werden kann und 3–4 mal so weit reicht als die gleiche Menge Kohlen; 4. Gewinn an Raum und Gewicht.

Es ist wohl nicht daran zu zweifeln, daß es dem nimmer rastenden Erfindergeist gelingen wird, in absehbarer Zeit die noch vorhandenen technischen Schwierigkeiten und „Kinderkrankheiten“ zu überwinden, und daß dann wohl auch das Vertrauen der Reedereien zum Motorschiff in gleichem Maße wachsen wird, wie es seinerzeit beim Dampfschiff der Fall gewesen ist.

Wenn wir die ganze neuzeitliche Entwicklung unserer Schiffahrt vom primitiven Raddampfer „Die Weser“ bis zum „Imperator“ der Hapag und dem „Columbus“ des Norddeutschen Lloyd überblicken, so ergibt sich ein wahrhaft glänzendes Bild ernsten unermüdlichen Vorwärtsstrebens auf allen Gebieten der Schiffahrt, des Schiffbaus und der ihnen verwandten Betriebe, ein Bild, das in seiner Vollendung jeden Deutschen mit besonderem Stolz und besonderer Genugtuung erfüllen muß.

Vorteile einer entwickelten Schiffahrt.

Die Vorteile, die eine gut entwickelte Schiffahrt für den Handel hat, treten klar zutage, aber auch für das Gewerbe und insonderheit für das Schiffbaugewerbe ist sie von großer Bedeutung. Mit der Entfaltung der deutschen Schiffahrt hat das deutsche Schiffbaugewerbe eine gewaltige Anregung erfahren. Der Norddeutsche Lloyd hat seit dem Jahre 1894 seine Schiffe ausschließlich deutschen Werften in Auftrag gegeben und über 300 Millionen sind ihnen in dieser Zeit an Baugeldern zugeflossen. Aber eine weitere große Bedeutung hat die deutsche Schiffahrt für die deutsche Volkswirtschaft. Die großen Reedereien beschäftigen Tausende von Seeleuten und Angestellten und doch nimmt sich die Menge der in ihrem Betriebe Beschäftigten gering aus gegen die Zahl derjenigen, die in irgendeiner Weise indirekt für die deutsche Schiffahrt tätig sind. Man braucht sich nur zu vergegenwärtigen, welche Anzahl von Bergarbeitern nötig ist, um allein die Unmenge von Kohlen zu hauen, die in einem Jahre von der Schiffahrt konsumiert wird. Und ähnlich wie der Bergbau, so erfahren auch eine Menge anderer gewerblicher Tätigkeiten, die Maschinenindustrie, die Nahrungsmittelindustrie und viele andere eine bedeutende Belebung durch die Schiffahrt.

War die Schiffahrt einst lediglich ein Werkzeug des Handels, so ist sie heute der Pionier auf neuen Wegen geworden. „Trade follows flag“! Nachdem die Schiffahrt Verkehrsmöglichkeiten geschaffen hatte, heftete sich der Handel an seine Flagge, in engen Wechselwirkungen stehen Schiffahrt und die übrigen Zweige wirtschaftlicher Betätigung, unter denen kaum einer vorhanden ist, der nicht übergreift in den komplizierten weitverzweigten Betrieb, wie ihn die mächtigen Dampfer mit sich bringen, die heutzutage die Meere kreuzen.

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 965. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/528&oldid=- (Version vom 20.8.2021)