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haben also eine ganz wesentliche Förderung durch die Auswanderung erfahren, namentlich in Bremen. Der hoch entwickelte Tabakhandel in Bremen ist zu einem wesentlichen Teil aus dieser Ursache entstanden. Die Auswanderung war es dann auch, die Bremen und Hamburg den Übergang von der Segelschiffahrt zur Dampfschiffahrt erleichterte, die ihnen die Möglichkeit gab, große Flotten prächtiger schneller Dampfer zu schaffen.

Hamburg und Bremen.

Der Hauptanteil an der gedeihlichen Entwickelung der deutschen Seeschiffahrt fällt ohne Zweifel unter den deutschen Reedereien dem Norddeutschen Lloyd und der Hamburg-Amerika-Linie zu, unseren beiden mächtigen Großunternehmungen in Bremen und Hamburg, die im Laufe weniger Jahrzehnte eine Bedeutung erlangt haben, die nicht nur national, sondern in hohem Maße auch international ist und als solche bewertet werden muß. Die Geschichte der beiden Gesellschaften ist bis zu einem gewissen Grade die Geschichte der modernen deutschen Seeschiffahrt überhaupt.

Am 1. Juni 1856 eröffnete die im Jahre 1847 gegründete Hamburg-Amerika-Linie mit ihrem in England erbauten Schraubendampfer „Borussia“ die erste regelmäßige deutsche transatlantische Dampferlinie von Hamburg aus. Damit war der erste Schritt geschehen, dem deutschen Handel in dieser Hinsicht seine volle Selbständigkeit zu sichern. Der zweite ließ nicht lange auf sich warten. Noch während die ebenfalls im Jahre 1847 ins Leben gerufene Ocean Steam Navigation Company bestand, hatten die Bremer Firmen W. A. Fritze & Co. und Carl Lehmkuhl das inzwischen umgebaute Admiralschiff Brommys „Hansa“ und die ebenfalls bei der Versteigerung der Schiffe der ersten deutschen Flotte erworbene Korvette „Germania“ von Bremen nach New York in Fahrt gesetzt. Das eigentliche Erbe der Ocean Steam Navigation Company trat der Norddeutsche Lloyd an, der auf Betreiben H. H. Meiers und Crüsemanns am 20. Februar 1857 gegründet wurde und am 19. Juni 1858 seinen Dienst zwischen Bremen und New York eröffnete.

Die New Yorker Linien sind eine Reihe von Jahren hindurch die einzigen transatlantischen Linien des Lloyd und der Hapag und das Rückgrat ihres Geschäftes gewesen. Die Genesung der wirtschaftlichen Verhältnisse gab dann den beiden Gesellschaften die Möglichkeit, ihren Betrieb auch in anderer Richtung zu erweitern und auszugestalten und ihre wirtschaftlichen Kräfte zu entfalten. Es bedarf kaum der Erwähnung, welch gewaltige Ausdehnung sowohl der Norddeutsche Lloyd wie die Hamburg-Amerika-Linie inzwischen genommen haben. In der ganzen Welt zeigen sie ihre Flagge auf mächtigen modernen Schiffen, deren Beliebtheit ihnen Weltruf verschafft hat.

Die ersten von Bremen und Hamburg eingerichteten deutschen Linien nach Nordamerika sind noch heute die wichtigsten der deutschen Schiffahrt, die ihnen seit Mitte des vorigen Jahrhunderts ihr besonderes Interesse zuwandte und sie namentlich in den letzten 25 Jahren durch Einstellung des allerbesten Schiffsmaterials gewaltig förderte. Im Laufe der Jahre sind dann andere Routen nach den Häfen von Nord-, Mittel- und Südamerika, nach Ostasien und Australien, ja nach allen Teilen der Welt hinzugekommen, neue Schiffahrtsunternehmen sind ins Leben getreten, um teilzunehmen an dem

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 958. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/521&oldid=- (Version vom 20.8.2021)