Seite:Deutschland unter Kaiser Wilhelm II Band 2.pdf/519

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

einen energischen, weitblickenden Urheber und Vertreter hatte, hat unter der Regierung Kaiser Wilhelms II. reiche Früchte gezeitigt. Sie förderte nicht nur die Bemühungen der deutschen Industrie, ständige Absatzmärkte für ihre Erzeugnisse in überseeischen Ländern zu gewinnen, sondern trug auch in hohem Maße dazu bei, das Ansehen Deutschlands im Auslande zu heben und den heimischen Erzeugnissen fortdauernd neue Absatzgebiete zu erschließen. Handels- und Tarifverträge taten dazu das Ihrige, nach Möglichkeit eine feste Grundlage für die Förderung des gegenseitigen Austausches von Boden- und Industrieerzeugnissen zu schaffen.

Umwandlung der Verkehrsmittel.

Die Umwandlung der Verkehrsmittel ist von jeher eine der wichtigsten Ursachen der menschheitlichen Weiterentwicklung gewesen. Den europäischen Kulturvölkern blieb es vorbehalten, die Pioniere auf dem Weltmeere zu werden.

Fahrhunderte vergingen nach Fahrten der Alten, nach den großen Entdeckungsreisen der Spanier, Portugiesen, Holländer und Franzosen, bis die Seeschiffahrt in neue Bahnen geleitet werden konnte, die sie allmählich zu ihrer heutigen Blüte und Bedeutung führen sollten. Die Erfindung der Dampfmaschine und die Verwendung der Dampfkraft als Triebkraft für Land- und Wasserfahrzeuge bedeuten auch in der Entwickelung der Seeschiffahrt einen Wendepunkt von höchster Wichtigkeit. Der Dampfmaschine war es beschieden, in den Schiffahrtsbetrieb jenes revolutionäre Element hineinzutragen, das sich mit der Zeit als so mächtig erwies, daß der Dampf unaufhaltsam seinen Siegeszug übers Weltmeer antreten und zu Ende führen konnte.

Wie die gesamte Industrie durch die Einführung der Dampfkraft eine völlige Umgestaltung erfuhr, wie die durch die Dampfkraft bedingte Technik ein ungeheures Anschwellen der Produktionskraft zur Folge hatte, so geschah dies auch in der Schiffahrt, der sich ungeahnte Bahnen eröffneten.

In den zwanziger und dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts ging die Entwicklung der Dampfschiffahrt allmählich schneller vor sich. Der wichtigste Fortschritt in diesem großen Abschnitt bestand in der Einführung der von dem Österreicher Ressel 1829 erfundenen Schiffsschraube als Treibeapparat, dessen Verwendbarkeit nach eingehenden Versuchen jedoch erst im Jahre 1838 mit dem englischen Dampfer „Archimedes“, einem Schiffe von 240 Tons, dargetan wurde, und in der Einführung des Eisens auch als Baumaterial für den Schiffskörper. 1837 fuhr der erste eiserne Seedampfer übers Meer.

Im deutschen Seeverkehr war allerdings noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts von diesen Fortschritten wenig zu verspüren. Das verödete und verarmte Land bedurfte geraumer Zeit, um sich von den schweren Wunden, die die Kontinentalsperre und die napoleonischen Kriege seinem gesamten Wirtschaftsleben geschlagen hatten, zu erholen. Zugleich waren die politischen Verhältnisse Deutschlands, die in der Zerrissenheit und Machtlosigkeit des Landes begründet waren, der Entwickelung der Seeschiffahrt besonders ungünstig. Auch die rücksichtslose Schutzzollpolitik fremder Staaten, vor allem Englands und Hollands, erschwerten der deutschen Schiffahrt Dasein und

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 956. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/519&oldid=- (Version vom 20.8.2021)