Seite:Deutschland unter Kaiser Wilhelm II Band 2.pdf/486

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Wasserstraßen und Binnenschiffahrt
Von Ministerialdirektor Peters, Berlin


I. Allgemeines.

Rückblick.

Für die Wasserstraßen bedeutet die Regierung Kaiser Wilhelms II. eine Periode kraftvoller Förderung und glänzender Entwickelung. Das gilt vor allem für Preußen, wo der Ausbau eines planmäßigen Netzes von Binnenschiffahrtswegen in Angriff genommen und zu einem großen Teile auch durchgesetzt wurde. In keinem früheren Zeitraum der brandenburgisch-preußischen Geschichte sind auch nur annähernd so große Mittel für Wasserstraßen aufgewendet und so große Erfolge auf diesem Gebiete erzielt worden, wie in den 25 Jahren von 1888 bis 1913. Aber auch im Reiche, in den nicht preußischen Bundesstaaten und in Elsaß-Lothringen, hat sich eine ähnliche Entwickelung angebahnt, vielfach beeinflußt und erleichtert durch die preußische Verkehrspolitik; besonders bei den gemeinsamen Wasserstraßen in Westdeutschland.

Die Wasserstraßenfrage befand sich während der letzten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts in einem kritischen Stadium, welches herbeigeführt war durch die außerordentlichen Leistungen und Erfolge der Eisenbahnen. Bis zum Erscheinen dieses neuen Verkehrsmittels hatten die Wasserstraßen nur in Wettbewerb gestanden mit den Landstraßen, denen sie hinsichtlich der für die Güterbewegung aufzuwendenden Frachtkosten auch dann noch überlegen waren, wenn sie nur mit kleinen Schiffsgefäßen befahren werden konnten. Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts hatte sich aber gezeigt, daß die Eisenbahnen nicht nur durch Gewährung billigerer Frachten, sondern auch durch andere, im Frachtsatz nicht zum Ausdruck kommende Verkehrsvorteile, namentlich durch die größere Schnelligkeit und Regelmäßigkeit der Beförderung, die damaligen Wasserstraßen vielfach übertrafen und die bisher von der Schiffahrt besorgte Güterbewegung an sich zogen. Diese Erscheinung war zwar keineswegs allgemein und in ihren Wirkungen sehr verschieden. Sie führte bei einer Gruppe von Wasserstraßen zur völligen Verkehrsentziehung, während sie bei anderen nur den Stillstand oder die Verlangsamung der Verkehrsentwickelung zur Folge hatte. In weiten Kreisen glaubte man aber aus solchen Wahrnehmungen den allgemeinen Schluß ziehen zu sollen, daß die Eisenbahnen den Wasserstraßen überhaupt überlegen seien und daß die Rolle der letzteren für die große Aufgabe der Güterbewegung zwischen den Hervorbringungs- und Verbrauchsorten im wesentlichen ausgespielt sei. Solche Auffassungen hatten um die Mitte des vorigen Jahrhunderts

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 923. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/486&oldid=- (Version vom 20.8.2021)