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hat Ende 1911 über 310 000 Köpfe betragen und damit den Personalstand vor 25 Jahren um fast das Dreifache überholt. Etwa zwei Drittel der Gesamtausgaben entfallen auf den Personalaufwand. Die Steigerung des Personalstandes ist in der Hauptsache zurückzuführen auf die Steigerung des Verkehrs und der verkehrsdienstlichen Leistungen, wurde aber auch nicht unwesentlich beeinflußt durch die erheblichen Erleichterungen, die die deutschen Postverwaltungen durch Verbesserung der Urlaubsverhältnisse, Herabminderung des Arbeitsmaßes und Ausdehnung der Sonntagsruhe fortgesetzt dem Personal zugewendet haben. Die Bezüge der Beamten und Unterbeamten und die Löhne der Arbeiter haben in den letzten 25 Jahren durchgreifende Aufbesserungen erfahren. Die Erweiterung und Vervollkommnung der dem Personal dienenden verschiedenen Wohlfahrtseinrichtungen bildet andauernd den Gegenstand besonderer Verwaltungsfürsorge. Durch die Schaffung von Arbeiterausschüssen suchen die Verwaltungen mit dem Arbeiterpersonal, das auf diese Weise Gelegenheit erhält, seine Anliegen durch gewählte Vertreter unmittelbar vorbringen zu lassen, nähere persönliche Fühlung zu gewinnen.

V. Finanzergebnisse.

Nicht selten stößt man auf die Meinung, daß Post und Telegraphie, wie überhaupt die staatlichen Verkehrsanstalten, nicht berufen seien, aus ihren Betrieben Überschüsse an die Staatskasse abzuliefern. Andererseits wird wiederum die Ansicht vertreten, daß der Staat aus dem Betriebe der Post und Telegraphie möglichst hohe Überschüsse zur Deckung anderer Staatsbedürfnisse erzielen soll. Die richtige Auffassung dürfte auch hier auf der Mittellinie liegen. Post und Telegraphie sind nicht Erwerbsunternehmungen. Es hieße ihren Zweck verkennen, wollte man ihnen nicht die gleichmäßige Befriedigung der auftretenden Kulturbedürfnisse, sondern die Erzielung einer möglichst hohen Rente als erste und nächste Aufgabe zuweisen. Würde in letzterem Sinne das Verwaltungsziel für das Post- und Telegraphenwesen sich bestimmen, so würden gerade die für die allgemeine Volkswohlfahrt wichtigsten Reformpläne, sobald ihre Verwirklichung zunächst Einnahmenausfälle befürchten ließe, im Keime unterdrückt werden, und es hätten die bedeutsamsten Neuerungen, wie die Einführung des Einheitsbriefportos, des Einheitstarifes für die 5 Kilopakete, die umfassenden Verbesserungen des Landpostwesens usw. niemals zur Tat werden können. Wird aber die Verwaltung ihrer Hauptaufgabe gerecht, vor allem die wirklichen Verkehrsbedürfnisse zu erkennen und rechtzeitig für deren Befriedigung zu sorgen, so ist es, namentlich bei sonst nicht günstiger Finanzlage, nur zu begrüßen, wenn aus den Erträgnissen der Post und Telegraphie auch andere Staatsausgaben bestritten werden können. Die deutschen Postverwaltungen haben von jeher eine Verkehrspolitik verfolgt, die auf der richtigen Linie verlief. Es ist ihnen erspart geblieben, notwendige Verkehrsverbesserungen in ängstlicher Scheu vor etwaiger finanzieller Einbuße unterlassen oder zurückstellen zu müssen. Zugleich war es ihnen aber fast regelmäßig vergönnt, ihre Betriebsrechnungen mit Überschüssen abzuschließen. In ihrer Höhe lassen diese Überschüsse allerdings sehr bedeutende Schwankungen erkennen, die einerseits auf die im allgemeinen Wirtschaftsleben zeitweise auftretenden Krisen,

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 920. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/483&oldid=- (Version vom 20.8.2021)