Seite:Deutschland unter Kaiser Wilhelm II Band 2.pdf/474

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

im Laufe der Jahre auf 80 Rohrpostanstalten angewachsene Rohrpostanlage in Berlin, insoweit sie sich mit der Übermittelung von Rohrpostbriefen und Rohrpostkarten befaßt. Von weitgehender Bedeutung für die raschere Abwicklung des Annahmegeschäftes ist weiterhin die in mehreren großen Postorten eingeführte sogenannte Barfrankierung für Briefsendungen in Massenauflieferungen, soferne die einzelnen Sendungen nach Gattung, Ausmaß, Gewicht, Portosatz usw. von völlig gleichartiger Beschaffenheit sind. Bei der Annahmebehandlung solcher Massensendungen werden Maschinen in Tätigkeit gesetzt, die jede Sendung mit einem die Freimarke ersetzenden Frankostempel versehen (das bayerische Verfahren) oder jeder Sendung die Freimarke unter deren gleichzeitiger Entwertung aufkleben (das bei der Reichspost eingeführte Verfahren). Der Beschleunigung der Telegrammbeförderung war förderlich eine Reihe von technischen Verbesserungen, hauptsächlich aber die beträchtliche Vermehrung der Telegraphenleitungen, deren Gesamtlänge von 1888–1911 sich mehr wie verdoppelt hat. Die Berliner Rohrpostanlage ist zugleich nutzbar gemacht für die beschleunigte Telegrammvermittelung; dem gleichen Zwecke dienen die Rohrpostanlagen, die in fünf weiteren Großstädten eingerichtet wurden. Die Abwicklung des Fernsprechverkehrs wurde gleichfalls beschleunigt durch zahlreiche technische Verbesserungen, sowie durch eine ins Vielfache gehende, noch immer stark zunehmende Vermehrung der Leitungen der Ortsfernsprechnetze und Fernverbindungsanlagen.

Zustellwesen.

Bedeutsam fallen ins Gewicht die namhaften Verbesserungen, welche im Laufe des letzten Vierteljahrhunderts das Zustellwesen erfahren hat. Die während dieses Zeitraumes eingetretene starke Vermehrung des Bestellpersonals und die damit bewirkte Vermehrung der Bestellgänge, sowie die Mitte 1888 angebahnte und seither immer mehr ausgebildete Heranziehung der Posthilfstellen zum Bestelldienst ist nicht nur der Bewohnerschaft der Städte, sondern ganz wesentlich auch der Bevölkerung des flachen Landes zugute gekommen. Heute erfreut sich im Deutschen Reiche bereits über die Hälfte der Landorte und sonstigen ländlichen Wohnstätten des Vorteils einer mehr als werktäglich einmaligen Zustellung. Nicht unwesentlich wurde die Landbestellung gefördert durch die Ausrüstung von Landbriefträgern mit Pferdefuhrwerk; eine Anzahl von Landbestellern bedient sich auch des Fahrrades. Besonders im städtischen Bestellwesen, namentlich für die Eilbrief- und Telegrammbestellung hat sich die Fahrradbenützung als vorteilhaft erwiesen. Auch die, von einem Teile der Geschäftswelt allerdings nicht ohne Widerspruch hingenommene Beseitigung des Ankunftstempels bei gewöhnlichen Briefsendungen hat das Zustellgeschäft namentlich in großen Postorten günstig beeinflußt.

Einen wesentlichen Anteil an dem erfolgreichen Ausbau des deutschen Post-, Telegraphen- und Fernsprechwesens darf die moderne Technik für sich in Anspruch nehmen. Vor allem ist es das Telegraphen- und mehr noch das Fernsprechwesen, das in den letzten Jahrzehnten durch die Errungenschaften der unablässig arbeitenden Technik zu einer so beispiellosen Stufe der Entwicklung emporgebracht wurde.

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 911. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/474&oldid=- (Version vom 20.8.2021)