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und der großen Masse ihrer Angestellten beiderseits frei kündbar. Bei den deutschen Staatseisenbahnen stehen alle diejenigen Angestellten, die in ihrem Dienste unter eigener Verantwortung handeln, im etatsmäßigen Beamtenverhältnis. Die Zahl der etatsmäßigen Beamten hat, obwohl im modernen Großbetrieb mit der Vervollkommnung der technischen und administrativen Einrichtungen die disponierende Tätigkeit hinter der rein mechanischen Dienstleistung mehr und mehr in den Hintergrund tritt, doch erheblich stärker zugenommen als die Zahl des Arbeiterpersonals. Die Zahl der etatsmäßigen Beamten beträgt zurzeit 37% des Gesamtpersonals der deutschen Eisenbahnen.

Die Lebenshaltung des Personals ist kaum je so durchgreifend verbessert worden als in den letzten 25 Jahren. Der Durchschnittsbezug auf den Kopf des Gesamtpersonals der deutschen Staats- und Privatbahnen ist von 1100 Mark im Jahre 1888 auf 1650 Mark im Jahre 1911 gestiegen.

Der Eisenbahndienst stellt an die körperliche Leistungsfähigkeit und geistige Spannkraft des Personals große Anforderungen. Um den Gefahren vorzubeugen, die aus einer Übermüdung des Personals entstehen können, hat man seit Ende der 1880er Jahre begonnen, die Dienstzeit durch strenge Vorschriften zu umgrenzen. Die Zeitdauer der durchschnittlichen täglichen Arbeitsleistung ist seitdem fortwährend verkürzt worden.

Die Fürsorge für die Wohlfahrt des Personals hat sich in den letzten 25 Jahren zu einem neuen wichtigen Zweig der Verwaltungstätigkeit der Staatseisenbahnen entwickelt.

Beamte und Arbeiter erhalten Urlaub, bei Erkrankung freie ärztliche Behandlung und bei Dienstunfähigkeit Pensionen. Auch für die Hinterbliebenen wird gesorgt. Die Leistungen der besonderen Kasseneinrichtungen der Eisenbahnverwaltungen auf dem Gebiete der Kranken-, Invaliden- und Altersversicherung gehen über die reichsgesetzlichen Mindestleistungen weit hinaus. Für die Gewährung von Unterstützungen an das Personal in Fällen augenblicklicher Notlage stellen die Verwaltungen überdies reichliche Mittel zur Verfügung.

Dem Personal werden während der Dienstleistung bequeme und reinliche Unterkunfts- und Übernachtungslokale, Wasch- und Badegelegenheit, Schutzkleider, Kocheinrichtungen zum Wärmen der Speisen zur Verfügung gestellt, billige Speisen und alkoholfreie Getränke verabreicht; es werden Dienst- und Mietwohnungen mit Gärten, für unverheiratetes Personal Ledigenheime erbaut. An Baugenossenschaften und auch zum Eigenhausbau werden nieder verzinsliche Darlehen von den Eisenbahnverwaltungen hingegeben. An 100 000 Wohnungen für das Personal bestehen zurzeit im Bereiche der deutschen Staatseisenbahnverwaltungen.

Die Arbeiter wirken an der Regelung ihrer Verhältnisse in den Arbeiterausschüssen mit.

Die Eisenbahnen der außerdeutschen Staaten sind in den letzten Jahrzehnten vielfach von Arbeitseinstellungen mehr oder minder ernster Art heimgesucht worden. In manchen Ländern sind strafgesetzliche Bestimmungen gegen den Streik der Eisenbahner

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 892. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/455&oldid=- (Version vom 20.8.2021)