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1894 wurden die ersten Expreßzüge der Internationalen Schlafwagengesellschaft über deutsche Linien geführt. Der Orientexpreßzug Paris–Wien–Konstantinopel machte den Anfang, ihm ist eine ganze Reihe von anderen Luxuszügen gefolgt, die als Nord-, Nord-Süd-, Ägypten-, Riviera-, Neapel-, Lloyd-Expreßzüge usw. Deutschland nach allen Richtungen durcheilen.

Im Schnellzugsverkehr der deutschen Bahnen werden Grundgeschwindigkeiten von 90 und 100 km, bei einzelnen Zügen auch noch mehr, angewendet. Die Reisegeschwindigkeit der Schnellzüge suchte man vor allem durch Vergrößerung der aufenthaltslos durchfahrenen Strecken zu erhöhen. Im Sommer 1911 wurde eine beträchtliche Zahl neuer, nur an den großen Verkehrspunkten anhaltender Schnellzüge eingeführt, nicht weniger als 23 Strecken von mehr als 150 km Länge werden seitdem von den Schnellzügen ohne Aufenthalt durchfahren. Obenan unter diesen Zügen stehen die im Sommer 1912 eingeführten D-Züge 79/80, die auf der 677 km langen Strecke Berlin–München nur in Halle und Nürnberg anhalten.

Auch der Nahverkehr wurde erheblich verbessert. Hier galt es vor allem den Zugverkehr zu verdichten, wofür die billige kleine Zugseinheit vielfach die wirtschaftliche Voraussetzung ist. Die Lösung dieses wichtigen Problems ist in der allerneuesten Zeit mit großen Mitteln in Angriff genommen worden. Auf den preußischen Staatsbahnen sind zahlreiche elektrische und benzol-elektrische Triebwagen, in Württemberg zum Teil auch Wagen mit Explosionsmotoren in Gebrauch, in Bayern suchte man die kleine Betriebseinheit durch die Einführung des leichten Zuges zu gewinnen.

Aber neben der Verbesserung der Verkehrseinrichtungen war stets die Erhöhung der Sicherheit des Betriebes die vornehmste Sorge der deutschen Staatsbahnverwaltungen.

In den Stationen mit größerem Personenverkehr wurden schienenfreie Zugänge zu den Bahnsteigen hergestellt. Das Signalwesen wurde vervollkommnet, die Bahnhöfe erhielten gesonderte Ein- und Ausfahrsignale, die Stellung derselben wird durch Vorsignale angekündigt. Das weiße Licht, das leicht mit fremden Lichtern verwechselt werden kann, wird als Fahrsignal bei allen deutschen Bahnen beseitigt.

Die in den letzten 25 Jahren auf allen Bahnhöfen durchgeführte Weichen- und Signalzentralisierung sichert mechanisch die richtige Stellung der Weichen, wenn die Signale auf Fahrt gestellt sind.

Auf den deutschen Bahnen fahren die Züge in Raumabstand. Kein Zug darf von einer Station abgelassen werden, wenn nicht vorher festgestellt ist, daß der vorausgegangene Zug auf der nächsten Station eingetroffen ist. Zur mechanischen Sicherung der Zugfolge wurde die elektrische Streckenblockung eingeführt. Die überwiegende Mehrzahl der deutschen Schnellzuglinien ist heute schon mit dieser wichtigen Sicherungseinrichtung versehen.

Damit sich die Stationen leicht untereinander und mit dem Streckenpersonal verständigen und rasch benachrichtigt werden können, wenn ein Zug auf freier Strecke liegen bleibt oder von einem Unfall betroffen wird, sind die Hauptbahnstrecken und zahlreiche Nebenbahnen mit Streckentelephonen ausgerüstet worden.

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 883. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/446&oldid=- (Version vom 20.8.2021)