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in der Verkehrsabwicklung eintreten können. Die Verwaltung hat nicht gezögert, mit umfassenden betrieblichen und organisatorischen Maßnahmen einzutreten, um der Wiederkehr ähnlicher Verkehrsschwierigkeiten vorzubeugen. Ein umfassendes Bauprogramm befindet sich in Ausarbeitung, um auf Bahnhöfen und Strecken für die Aufnahme und den geregelten Abfluß plötzlich andrängender Verkehrsfluten Raum zu schaffen.

Das Anlagekapital der deutschen Eisenbahnen (einschließlich der Schmalspurbahnen und nebenbahnähnlichen Kleinbahnen) stieg in 25 Jahren bis 1911 von 9,8 auf 18,5 Milliarden Mark.

Große Aufwendungen wurden gemacht, für den Bau zweiter, dritter und vierter Gleise, für die Trennung des Personen- und Güterverkehrs, für die Beseitigung schienengleicher Wegübergänge, für die Verbesserung der Linienführung der Bahnen, für die Verstärkung des Oberbaues.

Die Zahl der Stationen (ohne Kleinbahnstationen) ist in 25 Jahren von 6400 auf 13 300 (1911) gestiegen.

Riesensummen wurden für die Neuanlage und den Umbau von Personen-, Güter- und Rangierbahnhöfen aufgewendet. Aus der Zahl der neuerrichteten Mittel- und Großstadtbahnhöfe seien nur jene in Aachen, Bremen, Chemnitz, Köln, Darmstadt, Dortmund, Dresden, Eisenach, Erfurt, Essen, Hamburg, Mainz, Metz, Nürnberg und Wiesbaden erwähnt. Von dem neuen Hauptbahnhof in Leipzig ist zunächst nur die preußische Hälfte vollendet. Aber schon läßt die wuchtige Hauptfront, eine mächtige Schalterhalle, die hochgewölbte Betondecke über dem Stirnbahnsteig den Beschauer einen überwältigenden Eindruck von diesem modernsten Wahrzeichen deutscher Bahnhofbaukunst gewinnen. Grohe Bahnhofneubauten stehen in Karlsruhe vor der Eröffnung, in Stuttgart in der Ausführung.

Der Betrieb.

Den steigenden Anforderungen des Verkehrs hinsichtlich der Geschwindigkeit der Züge und der Größe der Zugseinheiten wurde durch immer größere Abmessungen der Lokomotiven Rechnung getragen. Die wirtschaftliche Ausnutzung des Brennmaterials wurde durch die Anwendung des Verbundsystems und des Heißdampfes erhöht.

Im Schnellzugsdienst trat der vierachsige Wagen an die Stelle des zwei- und dreiachsigen. In den D-Zügen verkehren Speisewagen, deren Benutzung auch den Reisenden der III. Klasse freigegeben wurde. Zahlreiche Kurswagen ersparen dem Reisenden das Umsteigen an Knotenpunktstationen. Die Wagen sind mit Abort und Wascheinrichtung versehen, in den D-Zügen auch mit Seife und Handtüchern ausgerüstet.

Die Beleuchtung der Züge hat mannigfache Wandlungen durchgemacht. Das jetzt fast allgemein verwendete hängende Gasglühlicht dürfte allen Anforderungen an eine gute Zugbeleuchtung entsprechen.

Am 1. Mai 1892 wurden in Preußen die ersten D-Züge, Schnellzüge mit Durchgangswagen und Faltenbalgverbindung, eingerichtet. Sie ermöglichen den Reisenden die freie Bewegung innerhalb des ganzen Zuges. Die Einrichtung des deutschen D-Zuges ist von den meisten europäischen Eisenbahnen übernommen worden.

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 882. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/445&oldid=- (Version vom 20.8.2021)