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die preußische, bayerische, sächsische, württembergische, badische und oldenburgische Staatsbahnverwaltung.

In Preußen wurden in der Folge noch etwa 2400 km Privatbahnen verstaatlicht. Auch in Mecklenburg wurde der größte Teil der Privatbahnen des Landes in das Eigentum und den Betrieb des Staates genommen, Bayern erwarb 1909 die pfälzischen Eisenbahnen.

Der hessische Staat löste 1897 den in seinem Gebiet liegenden Anteil der hessischen Ludwigsbahn ein, nahm sie aber nicht in eigenen Betrieb, sondern übergab sie dem preußischen Staat zur gemeinsamen Mitverwaltung (siehe folgende Seite).

So stand am Ende des Rechnungsjahres 1911[1] in Deutschland einem Staatsbahnnetze von 57 541 km ein Privatbahnnetz von nur 4731 km und ein Kleinbahnnetz von 10 131 km gegenüber.

Die Lokal- und Kleinbahnpolitik.

Gegen das Ende der 1860er Jahre war das deutsche Hauptbahnnetz in seinen wesentlichsten Bestandteilen vollendet. Schon damals begann man für den Bau von Eisenbahnen, die weniger dem allgemeinen Verkehr als der örtlichen Erschließung der durchzogenen Gebietsteile dienen sollten, Erleichterungen wirtschaftlicher und technischer Art zuzugestehen.

Die Zeiten, da die Leute die Eisenbahnen noch bekämpften, waren längst vorüber. Überall in Stadt und Land war man sich der großen wirtschaftlichen Vorteile des Eisenbahnverkehrs klar bewußt geworden.

Um so mehr drängten nun auch die abseits von den großen Hauptlinien gelegenen Gebiete darnach, der Schienenverbindung teilhaftig zu werden, zumal sie durch die Ablenkung des Verkehrs von der Straße auf die Eisenbahn und durch den Wettbewerb der an der Bahn gelegenen Wirtschaftsgebiete zum Teil schwer gelitten hatten.

Bei der Lösung des Lokalbahnproblems schlug die Eisenbahnpolitik der deutschen Bundesstaaten nicht die gleichen Wege ein.

Ein stattliches Netz staatlich betriebener, vorwiegend schmalspuriger Lokalbahnen ist in Sachsen aus staatlichen Mitteln ohne Heranziehung der Interessenten erbaut worden. Auch in Bayern ist ein engmaschiges Netz staatlicher Lokalbahnen entstanden, bei dessen Herstellung aber die Interessenten die Grunderwerbungskosten aufbringen mußten. Württemberg verfolgte in seiner Lokalbahnpolitik ein gemischtes System, indem es teils staatliche Lokalbahnen unter Heranziehung der Interessenten zu den Grunderwerbungskosten baute, teils private Lokalbahnen genehmigte, deren Bau es vielfach durch einmalige feste Staatszuschüsse förderte. Die Badische Eisenbahnpolitik bevorzugte den privaten Lokalbahnbau, wobei die Unternehmungen gleichfalls zum Teil durch Zuschüsse à fonds perdu unterstützt wurden.

Grundsätzlich verschieden war die Richtung der preußischen Kleinbahnpolitik.


  1. Hier und im folgenden muß die Vergleichung leider mit dem Jahre 1911 abschließen, da die Statistik für 1912 noch nicht vorliegt. – Der Beitrag entspricht dem Stand der Angaben, wie sie um Juli 1913 bekannt waren.
Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 877. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/440&oldid=- (Version vom 20.8.2021)