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Schutzes unserer vaterländischen Arbeit, sondern sie war der eigentliche Kern und Angelpunkt unserer ganzen riesenhaften, wirtschaftlichen Gesamtentwickelung und wird dies auch weiter bleiben.

Ich habe schon vor 25 Jahren ausgesprochen – und bin in dieser Ansicht immer mehr bestärkt worden –, daß die städtische Abneigung gegen unsere Schutzzollpolitik weniger auf einer falschen volkswirtschaftlichen Doktrin als auf einer einfachen Unkenntnis der landwirtschaftlichen Technik und ihres heutigen Standes beruhe.

Viehzucht.

Wie irrig die noch heute weit verbreitete Vorstellung Caprivis war, welche seine ganze Wirtschaftspolitik beherrschte, als ob die landwirtschaftliche Produktion gewissermaßen eine – ein für allemal feststehende – durch die gegebene Ackerfläche bedingte Größe sei, welche sich nicht wie die industrielle nach Bedarf steigern lasse, glaube ich hinreichend nachgewiesen zu haben. Aber ein anderer – auch rein technischer – Irrtum ist nicht minder verbreitet und wird von den Gegnern unserer Getreidezölle noch heute immer wieder ins Gefecht geführt. Das ist die Vorstellung, als ob eine Erhaltung oder gar Steigerung des Getreidebaues nur auf Kosten der Viehzucht möglich sei. „Man kann doch auf der gleichen Fläche nur entweder Getreide bauen oder Vieh züchten“, entgegnete mir noch kürzlich ein bekannter Parlamentarier. Nun auch in dieser Hinsicht war unsere Entwickelung in dem letzten Vierteljahrhundert recht lehrreich. Um es gleich kurz zusammenzufassen: Während in dieser Zeit unsere Getreideerträge, wie ich gezeigt habe, um durchschnittlich 50% gesteigert wurden, stieg gleichzeitig unsere Produktion von Vieh und tierischen Erzeugnissen um über 100%.

Die Viehbestände haben sich in folgender Weise vermehrt:

Es wurden gezählt:

10. Jan.
1883
1. Dez.
1892
2. Dez.
1912
Zunahme
1883/1912
Zunahme
1892/1912
Pferde 3 522 545 3 836 273 4 516 297 28,2% 17,7%
Rindvieh 15 786 764 17 555 834 20 158 738 27,7% 14,8%
Schweine 9 206 195 12 174 442 21 885 073 137,7% 79,8%
Ziegen 2 640 994 3 091 508 3 383 971 28,1% 9,5%

Nur die Schafbestände haben dauernd abgenommen.

Es wurden gezählt:

10. Jan.
1883
1. Dez.
1892
2. Dez.
1912
Abnahme
1883/1912
Abnahme
1892/1912
Schafe 19 189 715 13 589 662 5 787 848 69,8% 57,4%

Infolge dauernder Verbesserungen der Viehschläge und dadurch bedingter Erhöhung des Gewichts, durch größere Frühreife und rascheren Umschlag ist aber die Fleischerzeugung sehr erheblich stärker gestiegen, als die Vermehrung der Viehbestände erkennen läßt.

Fleischerzeugung.

Leider besitzen wir eine amtliche Ermittlung über die Höhe der jeweiligen Fleischerzeugung erst seit dem Jahre 1904.

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 479. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/42&oldid=- (Version vom 20.8.2021)