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Die Kranken- und Unfallversicherung haben für Anstaltspflege von 1885 bis 1911 nicht weniger als 700 Millionen Mark ausgegeben. Dazu kommen 175 Millionen, welche die Invalidenversicherung für Heilbehandlung verwendet hat, wohl auch fast ausschließlich in Heilanstalten. Damit haben naturgemäß diese Anstalten und Einrichtungen eine mächtige Förderung erfahren.

So gab es in Deutschland allgemeine Krankenhäuser:[1] 1877 1905 1906 1907
1822 3726 3801 3862
Die Zahl der verpflegten Kranken betrug 1 580 792 1 626 216 1 727 838

Die Lungenheilstätten haben erst durch die Arbeiterversicherung ihre Bedeutung gewonnen. Während 1877 erst 4 Lungenheilstätten bestanden, stieg ihre Zahl:

1888 1900 1905 1911 1912
auf 7 58 113 135 139

Es betrug die Zahl der Ärzte und Zahnärzte 1892: 20 500, 1912 dagegen 35 998; die der Apotheken 1892: 4964, 1912: 6474.

Die Versicherung hat unserer medizinischen Wissenschaft und unserer öffentlichen Gesundheitspflege neue Impulse und vor allem die Mittel für neue Erfahrungen, Einrichtungen und Methoden gegeben. Die modernen Heilanstalten erfreuen sich einer Ausrüstung, wie sie vor Jahrzehnten unmöglich erschien. Und nicht bloß die Anstaltsbehandlung hat Fortschritte gemacht, sondern auch die freien Fürsorgebestrebungen. So haben speziell die Invalidenanstalten durch ihre reichlichen Unterstützungen erst die schnelle und weite Verbreitung von Walderholungsstätten, von Fürsorge- und Auskunftsstellen für Lungentuberkulose, Alkoholbekämpfung usw., die Errichtung von Krankenpflegestationen in den Landgemeinden usw. ermöglicht. Die Aufwendungen für derartige Zwecke betrugen z. B. 1911 über 1 Million Mark.

Die Auskunfts- und Fürsorgestellen und Polikliniken für Lungenkranke sind überhaupt erst seit 1900 ins Leben getreten. Ihre Zahl beträgt heute 756; dazu kommen dann noch etwa 590 Tuberkuloseausschüsse in Baden. Daß die systematische Bekämpfung dieser verheerenden Volkskrankheit nicht ohne Erfolg geblieben ist, beweisen folgende Zahlen:

Auf je 10 000 Einwohner kamen Tuberkulose-Sterbefälle:

1888 1890 1900 1905 1910 1912
in Deutschland 34,58 29,82 22,26 21,6 17,80 noch nicht
bekannt
in Preußen 32−33 28,35 21,13 19,13 15,29 15,17

Die Fortschritte der Heilbehandlung, die zahlreichen Heilanstalten und Fürsorgeorganisationen kommen auch den übrigen Volkskreisen zugute. Die Bestrebungen wachsen, ihnen die Benutzung durch Organisationen der Beteiligten (z. B. der Kaufleute) und gemeinnützige Vereine in weiterem Maße zu ermöglichen. Auch die individuelle Gesundheits- und Krankenpflege hat große Fortschritte gemacht. Jeder Arbeiter, der die gesundheitliche Schulung einer Heilanstalt durchgemacht hat, wird damit zum


  1. Das Deutsche Reich in gesundheitlicher und demographischer Beziehung. 1907, S. 399. Medizinalstatistische Mitteilungen des Reichsgesundheitsamts 1912, S. 74 ff.
Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 851. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/414&oldid=- (Version vom 20.8.2021)