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„Grundzüge“ veröffentlicht, die der öffentlichen Diskussion unterstellt wurden. Doch dann, im März 1888, wurde Kaiser Wilhelm I. zum ewigen Frieden abgerufen, tief betrauert von seinem treuen, dankbaren Volke. Sein Sohn Kaiser Friedrich III. folgte ihm nach heldenmütigem Leiden schon in wenigen Monaten in die Ewigkeit.

Kaiser Wilhelm II.

Am 15. Juni 1888 bestieg Kaiser Wilhelm II. den Thron. Unterm 18. Juni richtete er den ersten kaiserlichen Aufruf „An mein Volk“, in dem er – im Aufblick zum König aller Könige – feierlich gelobte, nach dem Beispiel seiner Väter seinem Volke „ein gerechter und milder Fürst zu sein, Frömmigkeit und Gottesfurcht zu pflegen, den Frieden zu schirmen, die Wohlfahrt des Landes zu fördern, den Armen und Bedrängten ein Helfer, dem Recht ein treuer Wächter zu sein“.

Die Weiterführung der Arbeiterversicherung unter Kaiser Wilhelm II.

Aneignung der November-Botschaft.

Schon bald, am 25. Juni 1888, bei der ersten feierlichen Eröffnung des Deutschen Reichstages, umgeben von den deutschen Bundesfürsten, nahm der junge Kaiser Gelegenheit, in der Thronrede dem Gelöbnis auch den konkreten Inhalt zu geben durch das feierliche Versprechen: das Werk der Reichsgesetzgebung in dem gleichen Sinne fortzuführen, wie sein hochseliger Herr Großvater es begonnen habe.

„Insbesondere“, so fuhr er fort, „eigne Ich Mir die von ihm am 17. November 1881 erlassene Botschaft ihrem vollen Umfange nach an und werde im Sinne derselben fortfahren, dahin zu wirken, daß die Reichsgesetzgebung für die arbeitende Bevölkerung auch ferner den Schutz erstrebe, den sie, im Anschluß an die Grundsätze der christlichen Sittenlehre, den Schwachen und Bedrängten im Kampfe ums Dasein gewähren kann. Ich hoffe, daß es gelingen werde, auf diesem Wege der Ausgleichung ungesunder gesellschaftlicher Gegensätze näher zu kommen, und hege die Zuversicht, daß Ich zur Pflege unserer inneren Wohlfahrt die einhellige Unterstützung aller treuen Anhänger des Reiches und der verbündeten Regierungen finden werde, ohne Trennung nach gesonderter Parteistellung.“

„Ebenso aber halte Ich für geboten,“ – so fügte er bedeutungsvoll bei – „unsere staatliche und gesellschaftliche Entwickelung in den Bahnen der Gesetzlichkeit zu erhalten und allen Bestrebungen, welche den Zweck und die Wirkung haben, die staatliche Ordnung zu untergraben, mit Festigkeit entgegenzutreten.“

In der nächsten Thronrede zur Eröffnung des Reichstages im November desselben Jahres bekannte sich der Kaiser erneut zur Fortführung der sozialpolitischen Gesetzgebung, die er „als teures Vermächtnis seines Großvaters“ übernommen, und kündigte

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 813. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/376&oldid=- (Version vom 20.8.2021)