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sich für die Erlangung von Submissionsaufträgen leistungsfähig zu machen, durch eine geregelte Buch- und Rechnungsführung sich die Kunst des Kalkulierens zuverlässig anzueignen, damit die oft unglaublichen Unterschiede in der Preisstellung verschwinden, und die einschlägigen Bestimmungen zu studieren und in ihrem Sinne zu handeln, damit die Staatsverwaltung in ihrem Vertrauen nicht getäuscht wird.

Warenhäuser. Konsumvereine.

Unter den „kleineren Mitteln“ verdienen einige besondere Beachtung. Da die Konkurrenz der Warenhäuser und Konsumvereine in erster Linie den Kleingewerbetreibenden trifft, gehen wir darauf nicht näher ein und berücksichtigen deshalb auch nicht weiter die Rabattsparvereine, die gegen diese Konkurrenz ins Leben gerufen wurden; erwähnt sei nur, daß die von mehreren Bundesstaaten eingeführte Warenhaussteuer – in Preußen seit 1900 mit 1–2% des Umsatzes, höchstens 20% des Ertrages – die beabsichtigte Wirkung nicht gehabt hat. – Bezüglich des Wandergewerbes ist eine Ergänzung der Gewerbeordnung in Aussicht gestellt, nach der die Zulassung von Wanderlagern vom Bedürfnis abhängig gemacht werden soll.

Gefängnisarbeit.

Bezüglich der Einschränkung der Gefängnisarbeit verlangte der Allgemeine Deutsche Handwerkertag von 1886, daß von den Sträflingen nur solche untergeordneten Arbeiten angefertigt werden sollten, die der Staat für seinen eigenen Bedarf braucht. Der Deutsche Handwerks- und Gewerbekammertag von 1909 will, daß die Gefängnisarbeit so zu gestalten sei, daß die dem freien Gewerbe hierdurch verursachte Konkurrenz künftig ausgeschlossen wird. Allerdings ist in der Gefängnisarbeit eine Konkurrenz für das Handwerk vorhanden; aber aus sittlichen, finanziellen, volkswirtschaftlichen und strafrechtlichen Gründen kann sie nicht ganz beseitigt werden. Die Behörde ist auch stets bemüht gewesen, gegen berechtigte Klagen Abhilfe zu schaffen. Heute werden die Gefangenen nach Möglichkeit mit der Herstellung von Gebrauchsgegenständen für Reichs- und Staatsbehörden, namentlich für die Militärverwaltung, beschäftigt, auch für landwirtschaftliche Kulturarbeiten für Staats- und Kommunalverwaltungen sowie für Private finden sie Verwendung. Der Betrieb durch Unternehmer und für deren Rechnung, ebenso durch die Anstaltsverwaltung für Rechnung eines Unternehmers ist heute mit seinen bedenklichen Mißständen im allgemeinen beseitigt, und der Betrieb durch die Anstaltsverwaltung für eigene Rechnung (Regiearbeit) ist die Regel; die Verwendung von Kraftmaschinen wird nicht zugelassen. 1907 waren im Reiche 8 332 912 Personen im Gewerbe tätig, denen 30 000 Gefangene gegenüberstanden; so kamen 230 freie Arbeiter auf einen unfreien, ganz abgesehen davon, daß der Wert der Arbeit des freien Arbeiters höher anzusetzen ist als der des Gefangenen. So sollte man von einer verderblichen Konkurrenz durch die Gefängnisarbeit nicht reden. 1910 hat das preußische Abgeordnetenhaus einen Antrag angenommen, nach dem ein Beirat aus den Kreisen des Handwerks usw. gebildet werden soll, um zu prüfen, ob und in welcher Weise Abänderungen in der Gefängnisarbeit möglich sind.

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 803. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/366&oldid=- (Version vom 20.8.2021)