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seiner Untersuchung über die Entwicklung des Handwerks in der Zeit von 1895 bis 1907 veröffentlicht. Danach weisen auf: einen Rückgang von mehr als 5%: die Steinmetzen, Töpfer, Goldschmiede, Kupferschmiede, Zinngießer, Uhrmacher, Seifensieder, Seiler, Gerber, Böttcher, Kammacher und Schuhmacher; einen Stillstand: die Grobschmiede, Buchbinder, Bau- und Möbelschreiner, Bürstenmacher, Kürschner und Hutmacher; eine Zunahme von mehr als 5%: die Klempner, Messerschmiede, Nadler, Stellmacher, Sattler, Tapezierer, Drechsler, Bäcker und Konditoren, Metzger, Schneider, Handschuhmacher, Barbiere, Maurer und Bauunternehmer, Zimmerer, Glaser, Stubenmaler, Stukkateure, Dachdecker, Brunnenmacher, Ofensetzer und Schornsteinfeger. In allen diesen Gewerben waren im Jahre 1895 insgesamt 3 409 510 Personen beschäftigt, im Jahre 1907 dagegen 4 580 638 Personen. Diese Zahl verteilte sich mindestens zur Hälfte auf rein handwerksmäßige Betriebe; denn es waren in diesen 39 handwerksmäßigen Betrieben beschäftigt in Betrieben bis zu 5 Personen 2 238 817 Personen, in Betrieben von 6–50 Personen 1 223 101 Personen und in Betrieben von über 50 Personen 1 108 720 Personen. Bei den angeführten Handwerksarten waren 1895 im ganzen rund 1 232 000 Kleinbetriebe von weniger als 5 Personen gezählt worden, 1907 dagegen 1 274 000; also keine Abnahme, sondern eine Zunahme! Von Interesse sind in dieser Richtung auch die Beantwortungen von Fragebogen, die jüngst von der Zentralstelle für Volkswohlfahrt an Handwerkskammern, Innungen und Gewerbevereine verschickt wurden. Sie zeigen zum größten Teil eine hoffnungsfreudige Zuversicht für die Zukunft des Handwerks, das heute den schädigenden Einwirkungen besser gewappnet gegenübersteht als früher. So heißt es, daß die guten Erfolge der Handwerkergesetzgebung überall wahrzunehmen seien, es scheine, daß in neuerer Zeit die handwerklichen Erzeugnisse wieder beliebter und der Fabrikware vorgezogen würden, einzelne sprechen sogar von einer allgemeinen Hebung des Handwerks. Der letzte Jahresbericht der Handwerkskammer Düsseldorf stellt für das Berichtsjahr 1912 gegen 2000 Neugründungen von Handwerksbetrieben im Kammerbezirk fest. Diese Anzeichen von mutigem Aufraffen kann man nur freudig begrüßen.

So ist das Handwerk noch immer ein bedeutsamer Bestandteil der deutschen Volkswirtschaft; es geht als Betriebsform nicht unter, sondern es wird auf die Position beschränkt, in der es die ihm eigentümlichen Vorzüge am meisten geltend machen kann. „Das ist ja schließlich,“ sagt Bücher, „das Resultat aller ernsteren Geschichtsbetrachtung, daß kein einmal in das Leben der Menschen eingeführtes Kulturelement verloren geht, sondern daß jedes, auch wenn die Uhr seiner Vorherrschaft abgelaufen ist, an bescheidenerer Stelle mitzuwirken fortfährt an dem großen Ziele, an das wir alle glauben, dem Ziele, die Menschheit immer vollkommneren Daseinsformen entgegenzuführen.“

Staatshilfe. Selbsthilfe.

Es ist nun Aufgabe der Regierung, auch in Zukunft das Möglichste zu tun, um einen gesunden und leistungsfähigen Handwerksstand, der neben der Landwirtschaft zu den wichtigsten Grundlagen des Staates gehört, zu erhalten. Zu dieser Staatshilfe muß jedoch die tatkräftige und wagemutige Selbsthilfe des Handwerks kommen, zu der der

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 797. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/360&oldid=- (Version vom 20.8.2021)