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für die wirtschaftliche Entwicklung in den letzten Jahrzehnten. – Erwähnenswert sind noch das Gesetz betr. die elektrischen Maßeinheiten (1898), sowie die neue Maß- und Gewichtsordnung von 1908, die am 1. April 1912 in Kraft getreten ist.

Reichsversicherungsordnung.

Das selbständige Handwerk wird auch erfaßt von der sozialen Arbeiterversicherung, die das Deutsche Reich seit mehr als einem Vierteljahrhundert besitzt, und die seit 19. Juli 1911 in der Reichsversicherungsordnung neu geregelt ist. Zur Krankenversicherung sind selbständige Gewerbetreibende als freiwillige Mitglieder berechtigt, wenn sie in ihren Betrieben regelmäßig keinen oder höchstens 2 Versicherungspflichtige beschäftigen und ihr jährliches Gesamteinkommen 2500 M nicht übersteigt. Eine Innung kann für die ihr angehörigen Betriebe ihrer Mitglieder ohne Rücksicht auf deren Zahl unter bestimmten Voraussetzungen eine Innungskrankenkasse errichten. Hausgewerbetreibende sind versicherungspflichtig. Unter die Unfallversicherung fällt eine Reihe von handwerklichen Betrieben, wie das Schornsteinfeger- und das Fleischergewerbe, ferner Gewerbebetriebe, in denen Bau-, Dekorateur-, Steinhauer-, Schlosser-, Schmiede- oder Brunnenarbeiten ausgeführt werden. Zum freiwilligen Eintritt in die Invaliden und Hinterbliebenenversicherung (Selbstversicherung) sind bis zum vollendeten 40. Lebensjahre berechtigt Gewerbetreibende, die in ihren Betrieben regelmäßig keinen oder höchstens 2 Versicherungspflichtige beschäftigen, sowie Hausgewerbetreibende. Der Bundesrat kann allgemein oder in einzelnen Bezirken für bestimmte Berufszweige diese Personen auch in die Versicherungspflicht einbeziehen. Wer aus einem versicherungspflichtigen Verhältnis ausscheidet, kann die Versicherung freiwillig fortsetzen oder später erneuern (Weiterversicherung). So ist zwar dem Wunsche mancher Handwerker, das gesamte Handwerk dem Invalidenversicherungszwang zu unterstellen, noch nicht stattgegeben worden, aber in der Selbst- und Weiterversicherung sind ihm die Vorteile des Gesetzes zugänglich gemacht.

Geldverkehr.

Im Interesse eines geregelten Geld- und Kreditverkehrs, an dem auch der Handwerker interessiert ist, wurde die Allgemeine Deutsche Wechselordnung 1908 den Anforderungen der Neuzeit gemäß abgeändert; 1908 trat ein neues Scheckgesetz in Kraft, das den Gewerbetreibenden die Vorteile des geldlosen Zahlungsverkehrs eröffnen will, die Reichspost folgte 1909 mit der Einführung des Post-Überweisungs- und Scheckverkehrs. Auch das Hypothekenbankgesetz von 1899, das den Hypothekenbanken ein besonderes Aufsichtsorgan in der Person des Treuhänders brachte, kann hier genannt werden.

Erwerbsgenossenschaften.

Endlich sind für die Förderung des Handwerks von höchster Bedeutung die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, die schon in einem preußischen Gesetze von 1867 geregelt waren, das 1871 zum Reichsgesetz erhoben wurde. Ein neues Genossenschaftsgesetz trat 1889 in Kraft, die heutige Fassung ist von 1898. Man versteht darunter Gesellschaften von nicht geschlossener Mitgliederzahl, die die Förderung des Erwerbes oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 794. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/357&oldid=- (Version vom 20.8.2021)